13.12.2006
Einwand 1: Der Energiesteuervorschlag des SFV würde eine weitere Umverteilung zugunsten der Arbeitgeber und zu Lasten der Arbeitnehmer bedeuten, denn letztere würden die höheren Energiesteuern über höhere Preise wesentlich mitbezahlen müssen. Arbeitnehmerhaushalte mit geringem Einkommen wären überdurchschnittlich betroffen, da sie für den zwingend erforderlichen Energiebedarf einen deutlich größeren Anteil ihres Budgets ausgeben müssen als Haushalte mit höherem Einkommen.
Erwiderung: Wenn man nur die eine Seite unseres Vorschlags, nämlich die Erhöhung der Energiesteuern, betrachtet, ist der Einwand zunächst richtig: Für einen Großverdiener macht die Energieverteuerung nur wenige Prozent seines Einkommens aus, für einen Haushalt mit geringem Einkommen kann das aber existenzbedrohend sein. Genau deshalb schlagen wir zum Ausgleich ein aus den Energiesteuereinnahmen finanziertes persönliches Energiegeld von 100 Euro pro Person und Monat vor. Dieses Energiegeld entspricht genau den durchschnittlichen Mehrkosten für den privaten Energieverbrauch.
In absoluten Zahlen geben die Großverdiener pro Kopf mehr Geld für den privaten Energieverbrauch aus als die Geringverdiener. Reiche Haushalte fahren große Autos mit hohem Verbrauch (und meist über viel weitere Wegstrecken, etwa weil sie „im Grünen“ wohnen); sie haben eine größere Wohnfläche pro Person, fliegen mehrmals im Jahr „übers Wochenende“ mit dem Flugzeug, kaufen mehr Computer, große Fernseher, beheizen die Terrasse mit Infrarotstrahlern etc. Insofern ist ihr Energieeinsatz pro Person viel größer als der von geringverdienenden Haushalten. Eine Erhöhung der Energiesteuer würde ihnen - in absoluten Zahlen gesehen - mehr Kosten verursachen. Durch die Auszahlung eines nach der Kopfzahl bemessenen Energiegelds hätten deshalb Geringverdiener im Schnitt sogar einen Vorteil - kinderreiche Haushalte übrigens ebenso.
Insofern ist unser Vorschlag einerseits verteilungsneutral in dem Sinne, dass sowohl die Gesamtheit der Arbeitgeber als auch die Gesamtheit der Haushalte weder be- noch entlastet wird; andererseits kommt es innerhalb der beiden Gruppen - Arbeitgeber und private Haushalte - zu einer Umverteilung von den energieintensiven zu den personalintensiven Unternehmen sowie von den Besserverdienenden zu den Geringverdienern.
Einwand 2: Es ist nicht einzusehen, dass Unternehmen wie z.B. die großen Banken, die Telekom etc. trotz explosionsartig steigender Gewinne von der Finanzierung der durch sie mitverursachten Arbeitslosigkeit befreit werden, wie es beim Wegfall des Arbeitgeberbeitrags der Sozialversicherung der Fall wäre.
Erwiderung: In unserem Vorschlag werden die Unternehmen als Gesamtheit keinesfalls von der Finanzierung der Sozialsysteme befreit, es werden die Beiträge nur nicht mehr an die Zahl der Arbeitsplätze gekoppelt, sondern an den Energieverbrauch. Auf diese Weise werden auch diejenigen wieder in die Finanzierung der Sozialsysteme eingebunden, die sich ihr bisher durch Rationalisierung und die Entlassung großer Teile ihrer Belegschaft entziehen konnten.
Auch uns empört, dass viele Unternehmen trotz ihrer hohen Gewinne Personal entlassen. Eine weitere Nettoentlastung der Unternehmen lehnen deshalb auch wir ab; der Wirkungsmechanismus unseres Vorschlags besteht ausdrücklich nicht darin, den Unternehmen durch eine weitere Steigerung der Gewinne die Einstellung neuen Personals „schmackhaft“ zu machen - der Misserfolg dieser über Jahre praktizierten Strategie ist zu offensichtlich -, sondern darin, durch eine Veränderung der Kostenrelationen von Arbeit und Energie dafür zu sorgen, dass sich weniger das Entlassen, sondern das Einstellen von Personal rechnet.
Nun ist der Energieverbrauch der genannten Unternehmen (Telekom, Banken usw.) im Vergleich zu den Personalkosten in der Tat unterdurchschnittlich hoch - wie allgemein im größten Teil des Dienstleistungssektors. Durch Wegfall des Arbeitgeberanteils der Sozialversicherung würden diese Unternehmen insgesamt zunächst einen deutlichen Vorteil haben; man könnte in der Tat einwenden, dass hier das Ziel, sie über Energiesteuern wieder stärker an der Finanzierung der Sozialsysteme zu beteiligen, nicht erreicht, stattdessen lediglich die Gewinnsituation dieser Unternehmen erheblich verbessert werde. Doch ist dies eine recht statische Betrachtungsweise, die die Dynamik der von uns vorgeschlagenen Umstellung außer acht lässt; tatsächlich würde diese ungefähr wie folgt wirken:
1. Unternehmen, deren Dienstleistungen billiger werden, müssen ihre Preise senken. Das werden sie bei funktionierendem Wettbewerb auch tun. (Wenn es in einzelnen Bereichen keinen solchen gibt, ist das eine Aufgabe für Regulierungs- und Kartellbehörden.) Insofern kann es nur kurzfristig bzw. nur aus anderen Gründen, die nicht der Energiesteuerreform angelastet werden können, zu einer Steigerung der Gewinne kommen.
2. Durch sinkende Preise werden die Dienstleistungen tendenziell mehr in Anspruch genommen, was wiederum zu mehr Arbeitsplätzen führt. Das ist genau der Effekt, den wir erreichen wollen. Das passiert natürlich dann nicht, wenn - wie evtl. im Fall der Telekommunikationsbranche - der Markt ohnehin weitgehend gesättigt ist. (Wir würden wahrscheinlich auch dann, wenn es kostenlos wäre, nicht wesentlich mehr telefonieren als heute.) In diesem Fall bleibt den Verbrauchern aber mehr Geld in der Tasche, das sie für andere Dienstleistungen ausgeben können. Die Arbeitsplätze entstehen dann anderswo. Auch das ist ein erwünschter Effekt.
3. Durch unseren Vorschlag würden zwar evtl. auch große Konzerne aus dem Dienstleistungsbereich wie die oben genannten profitieren; vor allem aber würde er zu einer Aufwertung kleiner und mittelständischer Unternehmen wie Handwerks- und Reparaturbetriebe führen, weil sich Dienstleistungen, die heute weitgehend unrentabel geworden sind, wie etwa die Reparatur eines Fernsehers, einer Uhr, von Schuhen usw. gegenüber dem Neukauf wieder lohnen würden. Insofern kann und soll unser Vorschlag auch einen Beitrag leisten zur Stärkung kleinerer, überschaubarerer Wirtschaftsstrukturen. Auch bei einer anderen äußerst bedeutsamen Gruppe personalintensiver Betriebe, nämlich den staatlichen Dienstleistungen (Schulen, Universitäten, Stadtverwaltungen, Kriminalpolizei, Krankenhäuser, Sozialstationen usw.) würde unser Vorschlag die Lage ganz erheblich verbessern - zum einen, weil die Personalkosten sinken, zum anderen, weil der Staat in Form der Energiesteuern wieder eine solide Basis für die Finanzierung dieser wichtigen Aufgaben erhält, die er sich heute kaum noch leisten kann.
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