(April 2003, ergänzt bis Dezember 2006)
Der Artikel enstand nach einigen Gesprächen mit Abgeordneten von der SPD (MdB Stephan Hilsberg und Andrea Wicklein von der Brandenburger SPD) und der PDS (MdL Wolfgang Thiel von der Brandenburger PDS) über den vorhergehenden Beitrag "Sinnvoll steuern in Zeiten leerer Kassen" sowie die ersten Entwürfe des vorliegenden Papiers. Der im Punkt 5 vorgelegte Finanzierungs-Vorschlag basiert auf der Grundlage des vom DIW vorgelegten Gutachtens zum Reformvorschlag „Arbeit für viele“ des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL [6]. Was an diesem an sich radikalem Vorschlag jedoch auffällt, ist der Verzicht auf jede Art von Steuern auf Energie-, Umwelt- oder Ressourcennutzung sowie die (selbst von den Verfassern festgestellte) Widersprüchlichkeit des Konzeptes zum jetzigen Verständnis von „Wirtschaftswachstum“ (siehe Punkt 9).
Geht es um grundsätzliche Reformen oder darum, die Sozialsysteme für die nächsten paar Jahre fit zu machen? Die Arbeitslosigkeit in östlichen Krisenregionen, die ungeschönt bis zu 50 % beträgt, dürfte ohne grundsätzliche Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht zu bewältigen sein. Genauso sieht es mit der Finanzkrise der betroffenen Länder und Kommunen aus. Man könnte den Osten natürlich auch auf ein paar hochentwickelte industrielle Kerne “gesundschrumpfen” lassen. Nur ist das keine Antwort, wenn man den Horizont auf Osteuropa erweitert.
Die demografische Krise wie die Krise am Arbeitsmarkt, die EU-Osterweiterung wie die zunehmende Globalisierung, nicht zu vergessen die drohenden Klimaveränderungen und andere ökologische Folgeschäden erfordern zwingend eine grundsätzliche und umfassende Betrachtung.
Die Forderung nach einer Erhöhung des Rentenalters scheint angesichts des demografischen Problems erstmal verständlich. Die Realität sieht aber so aus, dass in über 60 % aller deutschen Unternehmen keine Arbeitnehmer über 50 Jahre beschäftigt werden [2]. Die wieder steigende Jugendarbeitslosigkeit ist ebenso Tatsache wie die große Reserve an arbeitslosen (Haus-) Frauen, für die de facto kein Platz am Arbeitsmarkt ist. Genauso wie der Druck auf die Arbeitslosen nur wenig nutzt, wenn keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden.
Selbst der Ruf nach „lebenslangem Lernen“ (für die sich ständig verändernden Arbeitsmarktanforderungen) nutzt wenig, wenn wie bisher genügend junge gut ausgebildete Fachleute zur Verfügung stehen.
Das könnte sich bald mit dem fehlenden Nachwuchs ändern. Die demografische Krise als Chance zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme? Es könnte aber sein, dass die Wirtschaft ebenso schnell den Bedarf an menschlicher Arbeitskraft reduziert – oder ins Ausland abwandert (sie muss sich ja auch vor dieser Krise schützen).
Bleibt also nur die trügerische Hoffnung auf beständiges Wachstum. Wie störanfällig dieses aber ist, sehen wir gerade. Dazu kommt, dass die Wirtschaft (wenn sie vorsorglich denkt, d.h. ausreichend egoistisch) jede Krise zur „Modernisierung“ nutzt. Unter den gegenwärtigen Bedingungen heißt das wieder: Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen zugunsten von Maschinenarbeit. Dasselbe Bild auf der ökologischen Seite. Was nutzen einzelne Verbesserungen, wie die Verringerung der Abgaswerte, wenn infolge der Liberalisierung des Welthandels der Verkehr vervielfacht wird? Oder wenn weltweites Wirtschaftswachstum alle Fortschritte beim Umweltschutz zunichte macht?
Die Wirtschaft zum Buhmann zu machen taugt nicht. Sie handelt durchaus „vernünftig“, entsprechend den gegebenen Rahmenbedingungen.
Bezeichnend für die derzeitige Orientierungslosigkeit auch im Osten ist die Haltung der PDS- Reformer. Im vor einem halben Jahr vorgelegten so genannten „Impuls-Papier“ [3] wird als Kernthese der Wandel von der Produktionsgesellschaft zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft proklamiert. Es wäre sinnvoll, diesen Wandel aktiv zu gestalten, der Osten könne und solle dabei Vorreiterfunktion übernehmen. Das alles vor dem Hintergrund der These, dass hohe Lohnkosten (auch Lohnnebenkosten) kein Problem wären. Vergessen wird bei dieser „Flucht nach vorn“, dass wir auch auf dem Wissensmarkt hart von der Konkurrenz bedrängt werden. Dass auch hier Arbeitsplätze nur mit erheblichen Summen an Subventionen entstehen (siehe Beispiel Jena). Dass diese Hightech-Standorte nur dort entstehen, wo auch die Infrastruktur (dazu zählen gerade auch die so genannten „weichen“ Standortfaktoren, wie Kultur und Bildung) hervorragend ist. Dass aber gerade die Krisenregionen abseits der großen Städte kaum attraktiv für solcherart Investitionen sind.
Und was den Dienstleistungssektor betrifft: im wirtschaftsnahen Bereich, das zeigen internationale Vergleiche, sind diese stark abhängig von den regionalen industriellen Kernen. Und die verbraucherorientierten Dienstleistungen wachsen nur dort, wo die Leute wenig Zeit, dafür Arbeit und Geld haben. In den Krisenregionen ist die Situation eher wie zu DDR-Zeiten - die Leute helfen sich selbst, nur die Schwarzarbeit boomt.
Gerade die Wissensbranche als Newcomer der Globalisierung hat sich darauf einzustellen, dass es keine stabilen Arbeitsplätze mehr gibt, dass diese ganz stark von der Situation an der Börse abhängig sind. Der Zusammenbruch des Neuen Marktes und die damit einhergehende Entlassung vieler gut ausgebildeter Hochschulabsolventen sollte dafür eine Warnung sein. Abgesehen davon, dass diese Art von globaler Arbeitsteilung auf absehbare Zeit an die ökologischen Grenzen stoßen könnte (externe Folgeschäden des Transportes quer durch Europa und um den Erdball) - was bliebe als neuer Fluchtweg nach dem Platzen dieser letzten „Seifenblase“, nach erfolgter Deindustrialisierung im Osten? Dass diese Gefahr real ist, macht Lothar Späth in einem Interview deutlich: „Die Hälfte der Arbeitsplätze (im Osten) ist wettbewerbsfähig ... Die anderen 50 Prozent ... werden wir im Rahmen der EU-Erweiterung bald an unsere osteuropäischen Nachbarn verlieren.“ [4]. Und die Tendenz der Abwanderung vieler Unternehmen wird nicht vor den alten Bundesländern halt machen, das zeigt sich jetzt schon.
Statt uns einer angeblich „gesetzmäßigen“ oder „unabänderlichen“ Entwicklung zu fügen, sollten wir begreifen, dass diese Entwicklung nur der letzte (vorläufige) Endpunkt einer selbstverschuldeten Fehlentwicklung ist. Dass nicht „der Markt“ die Fakten setzt, sondern (eigentlich) die Politik. Dass der Markt durchaus in eine andere Richtung gelenkt werden kann – wenn man die jetzige Orientierungslosigkeit überwindet.
Wer nach Konzepten für die Bewältigung der vielen Einzelprobleme sucht, muss endlich die Fehlsteuerung durch das jetzige Steuer- und Abgabensystem benennen. Die jetzige Reformdiskussion hat davon nur Teilaspekte benannt. In vielen Untersuchungen zur Ökologisch- Sozialen Steuerreform bis Mitte der 90er Jahre wurden sie ausführlich untersucht: Reguläre Lohnarbeit in Deutschland ist in dreifacher Hinsicht benachteiligt:
1. gegenüber Arbeit im oder aus dem Ausland (Lohnkosten in Deutschland sind Weltspitze, vor allem durch hohe Sozialabgaben und Lohnsteuern).
2. gegenüber Maschinenarbeit [Fußnote]Ich habe diesen Begriff aus „historischen“ Gründen nicht verändert. Korrekt müsste es heißen: gegenüber den Produktionsfaktoren Kapital und Energie – siehe Artikel „Zeitenwende bei den Wirtschaftswissenschaften?“ (die keinerlei Sozialabgaben oder Lohnsteuern unterliegt, deren Energiekosten durch Nichtanlastung der ökologischen Folgekosten subventioniert werden, und deren Investitionskosten über diverse Kapitalsubventionen verbilligt werden)
3. gegenüber Arbeit in der “Schattenwirtschaft”.
Genauso muss auch die Fehlsteuerung bezüglich der ökologischen Folgekosten wieder in den Blickwinkel der Politik. Für diese gilt, was Ernst Ullrich von Weizsäcker bereits 1990 geschrieben hat: “Die Deregulierung (Liberalisierung) fordert eine strikte Anwendung des Verursacherprinzips geradezu heraus. ... Die Vollendung des Binnenmarktes bliebe ordnungspolitisches Stückwerk, wenn das Verursacherprinzip jetzt nicht mit Macht durchgesetzt würde.” [5] Dass dies Thema konzeptionelles und kommunikatives Geschick erfordert, ist ein anderes Problem. Ich komme im Teil 5 darauf zurück.
Mit dem Gutachten des DIW „Berechnungen zum Reformvorschlag „Arbeit für viele” des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL“ [6] liegt nun ein durchgerechnetes Modell zur Absenkung der Lohnnebenkosten auf 5,5% vor. Nachfolgend jeweils eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Berechnungen mit notwendigen Anmerkungen und Änderungen bezüglich der in v.g. Punkt 4 aufgestellten Analyse. Im Punkt 6 werden daran anknüpfend Vorschläge zur möglichen Lösung des Problems Schwarzarbeit gemacht.
5.1. Rentenversicherung
Die bisherigen Rentenbeiträge entfallen. Finanzierung einer gesetzlichen Mindestrente vollständig über Steuern [6]. Die Verfasser des Gutachtens regen an, in diesem Zusammenhang auch das bisherige Äquivalenzprinzip (Zusammenhang von individueller Beitragshöhe und Leistungsansprüchen) zu überprüfen. Der Bedarf nach einer individuell höheren Altersabsicherung wäre dann vollständig über private oder betriebliche Versicherungen abzudecken.
Anmerkung 1: Was Kurt Biedenkopf und Meinhard Miegel schon lange gefordert haben, die steuerfinanzierte Grundrente, hat inzwischen parteiübergreifend Anhänger bekommen. Dies würde eine tatsächlich dauerhafte Lösung für das Rentensystem bedeuten. Statt den Faktor Arbeit finanziell mit den Folgen der demografischen Krise zu belasten (auch nach Einführung von Nachhaltigkeitsfaktor und Verschiebung des Renteneintrittsalters bleiben 20 % Rentenbeiträge mit der Negativspirale von Rationalisierungsdruck und steigenden Beitragssätzen für immer weniger Beschäftigte) würde der Faktor Arbeit vollständig von den Kosten der (gesetzlichen) Alterssicherung entlastet werden. Das Beispiel der beitragsunabhängigen Grundrente in den Niederlanden [7] hat zudem den positiven Nebeneffekt einer größeren Bereitschaft zu Teilzeitarbeit gezeigt.
aufklappen >Anmerkung 2: Februar 2006: Zur oben diskutierten Frage der Aufhebung des „Äquivalenzprinzips“ wurde gerade eine Studie des Instituts für Gesundheitsökonomie Köln vorgelegt. Diese Studie zeigt, dass das jetzige Rentensystem ausgerechnet die Besserverdienenden bevorzugt. „Weil Besserverdienende im Schnitt 8 Jahre länger leben als Arbeitnehmer mit niedrigen Einkünften, ..., beziehen Sie entsprechend länger Rente und bekommen so für Ihre eingezahlten Beiträge mehr heraus.“ [45] Das heißt im Klartext, dass unter dem Deckmantel der „Leistungsgerechtigkeit“ (Rentenzahlung nach Beitragszahlung) de facto eine Umverteilung von Niedrigeinkommen zu Besserverdienenden stattfindet. Institutsdirektor Karl Lauterbach (Bundestagsabgeordneter der SPD) plädiert für das Schweizer Bürgerrentenmodell: „alle Einwohner zahlen entsprechend ihrem Einkommen in die Rentenkasse ein. Die Beiträge sind nicht einmal halb so hoch wie in Deutschland, dafür bietet das System nur eine Basisversorgung oberhalb der Sozialhilfe. Wer mehr will, muss privat vorsorgen“ [45]. Sinnvoller als die Rückkehr zum Schweizer Modell mit der Belastung des Faktors Arbeit ist die auch im DIW-Modell vorgesehene Steuerfinanzierung: Gleiche Grundrente für alle bei vollständiger Entlastung der Arbeitseinkommen. (Notwendig gerade bei schwindender Erwerbsbevölkerung). Änderung gegenüber DIW-Studie: Energiesteuern statt höhere Lohn- und Einkommenssteuern (Siehe Punkt 5.4).
aufklappen >5.2. Kranken- und Pflegeversicherung
Vorschlag DIW/SPIEGEL: Versicherungsfremde Leistungen werden steuerfinanziert, Krankengeld bleibt beitragsfinanziert (1,0% für Krankengeldversicherung), Rest über individuell gleiche “Gesundheitsprämien”, Sozialausgleich steuerfinanziert.
Anmerkung 1: Eine Auszahlung der bisherigen Arbeitgeberbeiträge an den Arbeitnehmer, der dann die Gesundheitsprämie zahlt, ändert erst mal nichts an den Gesamtlohnkosten. Dafür werden bei steigenden Gesundheitskosten auch in Zukunft die Gewerkschaften mit höheren Lohnforderungen sorgen. Die Gesundheitsprämien sind lediglich positiv bezüglich individueller Vertragsgestaltung, Wettbewerb zwischen den Kassen mit entsprechenden Einsparungen von Verwaltungskosten (Höhe der Einsparung auf 10 % der Kosten geschätzt [6]).
aufklappen >Wenn aber richtig ist, was u.a. der Bonner Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel einschätzt, dass die Hälfte aller Krankheiten selbstverschuldet ist (durch Nikotin- und Alkoholmissbrauch, Übergewicht etc.), dann fehlt vor allem ein effektives Instrument zur Durchsetzung des Verursacherprinzips für gesundheitliche Folgeschäden und damit -kosten. Die bisherigen Vorschläge zur Motivation von gesundheitsbewusstem Verhalten - Bonusmodelle, Selbstbehalt, Praxisgebühr beim Arztbesuch - setzen nicht an der eigentlichen Wurzel des Übels an: dass Folgekosten von gesundheitsschädigendem Verhalten bisher von allen Versicherten getragen werden. Fehlverhalten wird damit subventioniert, de facto gefördert. Zu allem Überfluss verteuern diese Subventionen noch die Arbeitskosten.
Vorschlag 1: Entsprechend Konzept des UPI Heidelberg [8] sind schrittweise Gesundheitsabgaben auf Tabak, Alkohol, Zucker, Massentierhaltung, Kraftfahrzeugverkehr einzuführen. Die insgesamt ermittelten zuordenbaren Folgekosten liegen der Studie nach bei ca. 80 Mrd. Euro. Die vorgeschlagenen Gesundheitsabgaben auf Tabakwaren, Alkohol, Zucker, Massentierhaltung, Benzin und Diesel würden nach 10 Jahren ein Aufkommen von geschätzt 55 Mrd. Euro ergeben. Im Gegenzug könnten die Krankenversicherungsbeiträge um mehr als 40 % auf dann 8,5 % des Bruttolohns gesenkt werden.
Anmerkung 2: Der positive Lenkungseffekt von Gesundheitsabgaben auf die Kosten des Gesundheitssystems wäre ein doppelter: neben der Belastung von so genannten „risikoreichen Verhaltensweisen“ wäre eine erhebliche Entlastung des Faktor Arbeit zu verzeichnen, was wiederum die Kosten des Gesundheitssystems senken würde (deren Arbeitskosten ja den größten Kostenpunkt darstellen). Damit ist auch der grundsätzliche Unterschied zwischen dem beitragsfinanzierten System (negative Lenkungsfunktion = „Teufelsspirale“) und dem über Gesundheitsabgaben finanzierten System (Spirale mit positiver Richtung über Verbindung von Finanzierungs- und Lenkungsfunktion) genannt. Daraus folgt Vorschlag 2:
aufklappen >Vorschlag 2: Die Finanzierung des Gesundheitssystems sollte, wegen der erwünschten Entlastung der Arbeitskosten, schrittweise vollständig (im Gegensatz zum DIW-Modell auch des Krankentagegeldes), über Steuern bzw. Gesundheitsabgaben erfolgen. Hierzu wäre auch die Ausweitung der Gesundheitsabgaben auf weitere gesundheitsgefährdende Produkte und Verhaltensweisen zu prüfen. In der Studie des UPI werden als Beispiele genannt: Abgaben auf Pestizide und Nitratdüngemittel in der Landwirtschaft, Abgaben auf gesundheitsgefährdende Stoffe im Haushalt (Pyrethroide, Biozide, hormonhaltige Substanzen). Auch eine weitere Anhebung der bereits genannten Abgaben wäre wegen der erwünschten Lenkungswirkung sinnvoll. Andere Studien gehen auch von weit höheren Folgeschäden aus. Allein bei Alkohol liegen die Folgekosten, einer Studie der FU Berlin nach, bei über 32 Mrd. Euro [19], gegenüber 5 Mrd. Euro in der UPI-Studie. Und die durch Übergewicht bedingten volkswirtschaftlichen Kosten beziffert Frau Künast sogar auf jährlich 70 Mrd. Euro [20].
Anmerkung 3: Natürlich kommt hier sofort der generelle Einwand gegen die Abhängigkeit eines solchen steuerfinanzierten Systems von der jeweiligen Finanzlage. Kurze Antwort: Es sollte längst klar sein, dass gerade die bisherige Abhängigkeit vom Faktor Arbeit die Finanzierungsgrundlagen des System grundsätzlich zerstört (und dass ein bisschen Änderung daran nichts ändert). Das UPI- Konzept zeigt ja, dass es möglich ist, durch Verbindung von Finanzierungs- und Lenkungsfunktion Kosten im Ansatz zu sparen und damit das System weitaus kostengünstiger zu machen (siehe auch Punkt 5.4).
aufklappen >Anmerkung 4: Wenn es die Möglichkeit gibt, die bisherigen Beiträge schrittweise durch Steuern bzw. Gesundheitsabgaben zu ersetzen, muss das geplante Vorgehen bei der Gesundheitsprämie abgelehnt werden. Mit der geplanten Übertragung der Arbeitgeberbeiträge an den Arbeitnehmer wären die Bruttolohnkosten dauerhaft um diesen Betrag erhöht! Übrigens: auch für den Fall der (nicht wünschenswerten) Durchsetzung des Prämienmodells gäbe es die Möglichkeit der sinnvollen Ergänzung durch Gesundheitsabgaben. Diese könnten eingeführt werden zur Finanzierung des notwendigen steuerfinanzierten Sozialausgleichs. Aber auch für CDU/CSU und FDP sollte der erweiterte UPI-Vorschlag mit der Möglichkeit einer viel stärkeren Senkung von Lohnnebenkosten eine ernsthafte Alternative sein.
aufklappen >5.3. Arbeitslosenversicherung
5.4. Wie soll dieses Modell finanziert werden?
Nach dem Gutachten des DIW finanziert sich deren Modell vor allem aus:
Anmerkungen:
Vorschläge:
Der Umfang der “Schattenwirtschaft” wird für 2003 auf ca. 370 Mrd. € geschätzt, 17% in Relation zum offiziellen Bruttoinlandsprodukt [9]. Angesichts der hier versteckten Arbeitsplätze lohnt es nachzudenken, wie diese Arbeit in den offiziellen Rahmen zurückgebracht werden könnte. Die jetzige Nachfrage nach den sogenannten “Minijobs” zeigt ja, dass die Bereitschaft zur Legalisierung von Schwarzarbeit potentiell vorhanden ist. Die Bedingung dafür wäre gegeben, wenn die Differenz zwischen Brutto- und Nettolohn entsprechend gering ist. Das Beispiel Dänemark zeigt, dass dies prinzipiell möglich ist. Ergänzend zur o.g. Absenkung der Lohnnebenkosten auf 4,5% (siehe Punkt 5) sollte möglich sein, die Lohnsteuern speziell im unteren Einkommensniveau auf max. 5% zu drücken. Bei entsprechend geringem Unterschied zwischen Brutto- und Nettolohn würde sich Schwarzarbeit nicht mehr lohnen. Die fehlende Absicherung bei Unfällen, der fehlende Garantieanspruch, die generelle Rechtsunsicherheit etc. wiegen so geringe Einsparungen für die meisten Auftraggeber nicht auf. Der Rest könnte toleriert werden. Gleichzeitig sollte aber auch der Mehrwertsteuersatz für Dienstleistungen deutlich reduziert werden. Da hier vor allem Personalkosten anfallen, wirkt diese Steuer wie eine zusätzliche Steuer auf Lohnarbeit. Einen ähnlichen Vorschlag gab es übrigens im Frühjahr 2004. Die französische Regierung wollte die Mehrwertsteuer für das Gastronomiegewerbe halbieren und brauchte die Unterstützung Deutschlands in der EU. Deutschland stimmte letztlich nicht zu. Hier zeigt sich wieder die Wirkung des alten Leitbildes, die Orientierung auf „Bruttowachstum“. Dabei wäre eine Steuersenkung bei Dienstleistungen weitaus treffsicherer als die übliche Entlastung der Exportwirtschaft. Nicht nur in der Gastronomie, sondern auch im Handwerk. Statt unterschiedslosem Gießkannenprinzip würde direkt der Faktor Arbeit entlastet. Endlich würde es sich wieder lohnen, sein Gerät reparieren zu lassen statt das alte wegzuwerfen und ein neues, zumeist aus Fernost, zu kaufen. Es wäre ein Beispiel für eine neue, weil mit einem verständlichen Ziel verbundene, Steuerpolitik. So eine Anfrage auszuschlagen, ist auch unklug. Wer wie Kanzler Schröder ein Gespür für den „kleinen Mann“ zeigen will, sollte so eine Chance nutzen. Ein leichter zu kommunizierendes Beispiel ist kaum zu finden.
Ergänzung Dezember 2005: Kleine AFP-Meldung auf der Wirtschaftsseite vom 30.11.05: „Sarkozy bittet Merkel um Einlenken im Streit um die Mehrwertsteuer: ... Bislang widersetzt sich im EU- Ministerrat vor allem Deutschland dem Plan der Regierung in Paris, den Steuersatz im Gastgewerbe von 19,6 auf 5,5 Prozent zu reduzieren. Am Vortag hatten in Paris Tausende Gastwirte dafür protestiert...“ Sarkozy hatte in seinem Brief an Frau Merkel geschrieben, diese deutliche Reduzierung könnte “in diesem Sektor Zehntausende zusätzliche Arbeitsplätze schaffen“ [35] Also wartet dieser alte Konflikt immer noch auf eine Lösung. Und leider werden die Chancen dieses Vorschlags wieder nicht erkannt. In Deutschland, wohlgemerkt. Weder von den Parteien der großen Koalition noch von der Opposition, weder von den Gewerkschaften noch vom sonst so kritischen Feuilleton. Das ist leider keine zufällige Ausnahme. Das falsche wirtschaftliche Leitbild macht uns blind für die alltäglichen Möglichkeiten zur Umsteuerung der Wirtschaft...
6.1.Finanzierung
1. Vor allem im unteren Einkommensbereich sollte die Differenz zwischen Netto- und Bruttolohn bzw. den Arbeitskosten für die Unternehmen möglichst unter 10 % liegen. Dann macht Schwarzarbeit keinen Sinn mehr. Dieses Ziel erfordert allerdings gleichzeitig eine deutliche Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen (s. Punkt 6).
2. Der Nettolohn erhöht sich schrittweise mit der Reduzierung der (Arbeitnehmer-)Beiträge zu den Sozialversicherungen, der Lohnsteuern und des Solidarbeitrags. Dafür fallen höhere indirekte Steuern und Abgaben an (Gesundheitsabgaben, aber auch Steuern auf Umwelt- und Ressourcenverbrauch). Im Unterschied zu den bisherigen nicht beeinflussbaren Belastungen kann der Bürger mit seinem gesundheits- und umweltbewussten (Kauf-)Verhalten über die Höhe seiner finanziellen Belastung mit entscheiden. Über o.g. Steuern und Abgaben werden zudem alle Bürger an den Kosten des Sozialsystems beteiligt.
3. Die Variante „Rückzahlung über Öko-Bonus“, die in früheren Konzepten vorgeschlagen wurde, ist aus einem ganz entscheidenden Grund fallengelassen worden. Mit der Auszahlung des Öko- Bonus (als Ausgleich für die Mehrbelastung durch o.g. Steuern und Abgaben) wäre das angestrebte Ziel einer Verringerung der Differenz zwischen Brutto- und Nettolohn nicht machbar. Entweder Ökobonus oder Senkung der (AN-)Sozialbeiträge. Beides ist nicht möglich. Dies gilt aber nur für die Arbeitnehmer. Der Ausgleich der genannten Mehrbelastungen für alle übrigen Gruppen könnte sehr wohl über so einen Öko-Bonus erfolgen. (Ausgleich für Arbeitgeber siehe unten 4.) Was für die Bezieher von Renten, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Bafög, Kindergeld etc. aus sozialen Gründen notwendig ist, sollte aus Gründen der breiten Akzeptanz der Reform auch für alle anderen Bevölkerungsgruppen gelten. Also auch für Selbständige, Beamte, Hausfrauen etc. Natürlich stehen dann erstmal weniger Mittel zur Senkung der Sozialbeiträge zur Verfügung. Notwendig ist aber zuerst eine allgemeine Akzeptanz der Reform. Erst mit dieser Akzeptanz sind auch langfristig stetige Anhebungen der Steuersätze möglich.
4. Im Unterschied zum Modell der Gesundheitsprämie des DIW (ähnlich CDU-Modell) werden die Arbeitgeberbeiträge nicht an die AN ausgezahlt (und damit zu einem dauerhaften Bestandteil der Lohnkosten gemacht), sondern radikal gesenkt. Dieses ist möglich, weil auch die Arbeitgeberseite gleichzeitig über höhere Steuern (auf den Produktionsfaktor Energie) zur Finanzierung der Sozialsysteme beitragen. Eine solche Chance zur deutlichen Senkung der Arbeitskosten sollte auch die Arbeitgeberseite zum Nachdenken über ein solches Modell bewegen.
5. Die Festlegung des Zeitraumes für die Absenkung der Beiträge erfordert eine Abschätzung der Einnahmen aus den o.g. Steuern und Abgaben. Dabei handelt es sich naturgemäß um nur unzureichend genaue Schätzungen. Sinnvollerweise sollte man sich bei Vorhersagen darauf beschränken, nur die jährlichen Steigerungsraten für diese Steuern und Abgaben festzulegen. Die Absenkung der Sozialbeiträge (wie auch die Höhe des Öko-Bonus für Nicht-Arbeitnehmer) wird jährlich nach Feststellung der Höhe der Einnahmen festgelegt.
6. Natürlich besteht die Gefahr, dass die (schrittweise) Senkung der Arbeitgeberbeiträge durch gleichzeitige Lohnerhöhungen „aufgefressen“ werden. (Ähnliches könnte in Dänemark passiert sein, deren Lohnkosten inzwischen Weltspitze geworden sind. Vergleiche Abb. 9, S. 51). Um dieser Gefahr zu begegnen, sollten die Tarifpartner rechtzeitig in die Gespräche zur Reform eingebunden werden. Sinnvoll wäre eine grundsätzliche Vereinbarung der Tarifpartner mit dem Ziel der Veränderung der relativen Kostenstruktur in der Wirtschaft - einer Senkung der Lohnkosten bei gleichzeitiger Erhöhung der Kosten für Energie- und Ressourcenverbrauch.
Alternativ zu o.g. Modell soll hier noch das Finanzmodell des Solarenergieförderverein Deutschland (SFV e.V.) vorgestellt werden. Weil der Ansatz ähnlich ist, und die Auswirkungen auf die Wirtschaft bereits genauer untersucht worden sind. Der Ansatz des SFV: Die Arbeitgeber zahlen bisher pro Jahr 195 Mrd. Euro an Arbeitgeberbeiträgen zusätzlich zu den vereinbarten Bruttolöhnen (Zum Vergleich: die Mehrwertsteuer beträgt ca. 140 Mrd. Euro). Was de facto einer Strafsteuer auf Arbeit gleichkommt. Diese Summe soll stattdessen über eine Energiesteuer auf den Faktor Energie umgelegt werden. Um die bisherige Summe der Arbeitgeberbeiträge zu ersetzen, wäre eine zusätzliche Energiesteuer von 11,7 Cent pro KWh notwendig [Fußnote]Endenergieverbrauch in Dt. ca. 9.000 PJ / Jahr = 2.500 Mrd. kWh. 2/3 davon gewerblich genutzt = 1.660 Mrd. kWh. 195 Mrd. Euro / 1.660 Mrd. kWh = 11,7 Cent/ kWh..
Diese Energiesteuer wird auch erhoben für die privat genutzte Energie. Allerdings sollen diese Einnahmen in vollem Umfang über ein Energiegeld an die Privathaushalte ausgezahlt werden – und zwar je Kopf der Bevölkerung, vom Säugling bis zum Greis [Fußnote]ca. 840 Mrd. kWh * 0,117 Cent/kWh = 98 Mrd. Euro / Jahr. Aufgeteilt auf ca. 80 Mio. Einwohner und 12 Monate ergibt sich ein Energiegeld in Höhe von ca. 100 Euro je Monat. Die durchschnittliche Belastung bleibt gleich – für die Wirtschaft wie für Privathaushalte. Was sich ändert: Energiesparen wird belohnt, Arbeit wird entlastet.
Derselbe Ansatz wie bei der bisherigen Öko(sozialen) Steuerreform. Allerdings geht es um ganz andere Größenordungen: 190 Mrd. Euro im Verhältnis zu bisher 18 Mrd. Euro Ökosteuern pro Jahr. Mehr als das Zehnfache des Umfangs der Ökosteuerreform. Das scheint eher eine Revolution als eine Reform zu sein – also vollkommen unrealistisch.
Wie sieht aber die Gesamtbilanz der Branchen aus, wenn man nicht nur die enorm steigenden Energiekosten betrachte, sondern die im Gegenzug sinkenden Arbeitskosten dagegen stellt? Der SFV hat nun untersucht, wie sich die Gesamtkosten der Branchen bei Umsetzung des SFV- Vorschlags verändern würden [49]. Das Ergebnis ist verblüffend. Zu den Gewinnern zählen neben Handwerk und Dienstleistungen auch solche Branchen wie Maschinenbau, Fahrzeugindustrie (mit Autoindustrie), Elektroindustrie, Rundfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik. Einfacher ist es, die Verlierer einer solchen Reform zu identifizieren: Bergbau, Rohstoffindustrie, Chemische Industrie, Holzindustrie – also die Branchen, die ohnehin wenig Personal beschäftigen. Deutlich wird: die überwiegende Zahl der Branchen würde eindeutig auf der Seite der Gewinner stehen [Fußnote]Der SFV lässt die Frage offen, in welchem Zeitrahmen die Umstellung erfolgen soll, plädiert aber eher für eine schnellere Umsetzung, um die gegenwärtige Schieflage zwischen Energie und Arbeit zu verändern..
Damit bestätigt sich noch einmal eine Einschätzung, die Ernst U. von Weizsäcker schon zu Beginn der Ökosteuerdiskussion getroffen hatte, als die Frage „Umweltsteuern kontra Umweltabgaben“ heiß diskutiert wurde:
"Umweltsteuern können dagegen auf eine Höhe anwachsen, die mindestens eine Größenordnung höher liegt als die gegenwärtigen Sonderabgaben. Selbst ein Faktor 100 gegenüber den heutigen Sonderabgaben ist rechtlich möglich und wirtschaftlich vertretbar. Bei einem zehn- bis hundertfach größeren Steuergewicht kann eine ungleich schnellere und tiefer gehende Umorientierung der gesamten Wirtschaft erwartet werden." [5, S. 161] [Fußnote]Vorraussetzung ist auch hier, dass im gleichen Maße andere Steuern und Abgaben, z.B. auf Arbeit, abgesenkt werden.
Um die Frage beantworten, wie radikal denn ein solcher Vorschlag tatsächlich ist, muss der Vergleich der Abgabenbelastung zwischen den Faktoren Arbeit und Energie untersucht werden (der Faktor Kapital wird hier nicht untersucht, da er durch die Reform nicht beeinflusst wird). Das Ergebnis zeigt die nachfolgende Abbildung.
Im Punkt “5. Beschäftigungswirkungen” heißt es in dem DIW-Gutachten: “Entsprechend würde aufgrund der stärkeren Belastung von Sachkapital die Nachfrage nach gering qualifizierter Arbeit tendenziell stärker steigen, nach höher qualifizierter Arbeit hingegen sinken. Diese indirekten Effekte können im Rahmen dieses Gutachtens nicht berücksichtigt werden. Ebenso unberücksichtigt bleibt, dass durch die stärkere Belastung des Sachkapitals die mittelfristige Wachstumsdynamik beeinträchtigt werden dürfte, was auch negative Beschäftigungseffekte nach sich ziehen könnte.” [6]
Die Verfasser stellen mit Recht einen grundsätzlichen Widerspruch zwischen den SPIEGEL- Vorschlägen und der vorherrschenden Wachstumstheorie fest. Insofern stellen sie die Ergebnisse ihrer Studie indirekt infrage. Es ist also notwendig, diese Frage grundsätzlich zu klären.
Die Verfasser befürchten, dass mit dem Nachlassen des Kostendrucks der Anlass für die “Modernisierung” sinkt, weil Gewinne ja eine Weile gesichert scheinen. (an anderer Stelle auch: dass die Gewerkschaften die erhöhten Gewinne zum Anlass nehmen könnten, erhöhte Lohnforderungen durchzusetzen. Womit wieder der alte Zustand erreicht wäre.). Richtig: Gewinnerwartung und Kostendruck sind der notwendige Antrieb für Modernisierung. Aber auch dieser Begriff wird definiert durch die gegebenen Rahmenbedingungen des Marktes. Typisches Beispiel für Modernisierung: im Einzelhandel werden gerade vollautomatische Abrechnungssysteme zur Einsparung von Verkaufspersonal entwickelt. Deutlicher kann man den Widerspruch zwischen dem eigentlichen Ziel von Wirtschaftspolitik – der Schaffung von Arbeitsplätzen – und der realen Wirkung der politisch gesetzten Rahmenbedingungen nicht zeigen.
Zurück zur Wachstumstheorie: Mit der bisherigen Verbilligung von Kapitalkosten gegenüber Arbeit werden Arbeitsplätze (insbesondere niedrig qualifizierte) durch Maschinen ersetzt. Der Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitsplätzen wächst. Gleichzeitig entstehen neue Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor. So die Theorie. In der Praxis werden aber auch hoch qualifizierte Arbeitsplätze in Größenordnungen abgebaut, ebenso wie im Dienstleistungsbereich.
Diese Theorie setzt im Übrigen voraus, dass mit dem Wachstum der Produktivität auch die Aufnahmefähigkeit des Marktes steigt. Abgesehen davon, dass mit der Zunahme der Konkurrenz auf dem globalen Markt Konjunkturprognosen immer unsicherer werden, ist dieser Weg aus grundsätzlichen Gründen ein Irrweg, weil die ökologischen Randbedingungen (Begrenztheit der Ressourcen und der Belastungsfähigkeit der Ökosysteme) "ausgeblendet" werden. Ein an sich schizophrener Vorgang, aber Ausdruck der Einseitigkeit des bisherigen Wachstumsmodells.
Die Lösung für den von den Verfassern der Studie beschriebenen Konflikt ist längst bekannt: der Kostendruck muss sinnvoll umgelenkt werden - weg vom Kostenfaktor Arbeit, hin zum Faktor Energie, Umweltnutzung, Ressourcenverbrauch. Damit bekäme der Begriff “Modernisierung” eine andere, zeitgemäßere Richtung. Die Begriffe Marktfähigkeit, Gewinnerwartung, Kostendruck würden durch die Veränderung der o.g. Kostenfaktoren bestimmt werden. Wachstum wäre weiterhin möglich, aber in veränderter Qualität. Möglich heißt aber auch: es ist nicht zwingend erforderlich. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ist ja nicht die Bruttoproduktion, sondern der Gewinn! Wie auch die Sicherheit der Sozialen Systeme und eine sinnvolle Arbeitsmarktpolitik nicht zwingend vom steigenden Bruttosozialprodukt abhängen müssen.
Ernst U. von Weizsäcker stellte in seinem Buch “Erdpolitik” [5] die These auf, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Umwelt sein werde. Dass als Realpolitik zukünftig das verstanden wird, was sich auf die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen bezieht. Genauso, wie das 17. Jahrhundert das Zeitalter der Religionskriege, das 18. Jahrhundert das der Fürstenhöfe, das 19. das Jahrhundert der Nationalstaaten, das 20. das Jahrhundert der Wirtschaft war. Dies macht verständlich, dass unsere heutige Fixiertheit auf die Ökonomie nur zeitlich bedingt sein könnte. Der Verfasser macht allerdings auch deutlich, dass die notwendige Transformation nur möglich ist, wenn die vorhandene “Voreingenommenheit fast aller Akteure für die Ökonomie” in Rechnung gestellt wird.
Die Einbeziehung der ökologischen und sozialen Folgekosten in die Preisgestaltung wie die Neudefinition des Begriffes “Wirtschaftswachstum” dient genau diesem Ziel. “Nachhaltigkeit”, was ja auch mit “Langzeitökonomie” übersetzt werden könnte, wäre nicht länger ein fast ideologischer Begriff, sondern ökonomisch positiv definiert. Damit hätte die Wirtschaft endlich eine qualitative Ausrichtung, die das bisherige diffuse „Wirtschaftswachstum“ nicht hat. Wirtschaft wäre wieder das, was es eigentlich sein sollte – ein notwendiges Mittel zum eigentlichen Zweck.
Wirtschaftlich sinnvoll wäre dann endlich das, was bisher paradoxerweise gegen den Markt subventioniert werden muss: kürzere Wege zwischen Zulieferern, Produzenten, Verbrauchern, eine energie- und ressourcensparende Kreislaufwirtschaft, eine ökologische Landwirtschaft (die wieder zu einem Grundpfeiler der regionalen Wirtschaftsstruktur werden würde). Und die Frage, ob Arbeit durch Maschinen ersetzt wird, würde bei veränderten Kosten anders beantwortet werden.
Mit einer solchen gesamtwirtschaftlichen Perspektive könnte die Förderung für Krisenregionen und -branchen direkt bei den Arbeitskosten ansetzen.
In Anlehnung an alte politische Forderungen nach einem Niedrigsteuergebiet Ost (seit längerem von der FDP, zuletzt auch von Altkanzler Schmidt) könnten für Unternehmen in Krisenregionen und – branchen die Sozialbeiträge (und Mehrwertsteuer für Dienstleistungen) abgesenkt werden [Fußnote]Peter Bofinger, einer der fünf “Wirtschaftsweisen”, hat nun ein Modell vorgelegt, bei dem u.a. vorgeschlagen wird, die SV-Beiträge für Geringverdiener (Bruttoeinkünfte bis 1300 Euro, alleinstehend, bzw. 1900 Euro, verheiratet) ganz oder teilweise aus dem Staatshaushalt zu finanzieren. (Spiegel 44/2006). Und zwar dauerhaft, weil als Vorgriff auf zukünftig generell geltende Rahmenbedingungen. Der Unterschied zu den bisherigen Programmen ist ein grundsätzlicher: es geht weniger um hohe Finanzzuschüsse als um Steuerung über sinnvolle Rahmenbedingungen. Damit würden weniger die teuren Großvorhaben (für arbeitsplatzminimierte Investitionen) gefördert, sondern vor allem Unternehmen im Mittelstand, Handwerk, Bau, Dienstleistungsbereich, Landwirtschaft. Ähnlich könnte auch im Sozial-, Kultur- und Bildungsbereich verfahren werden, wo sich derzeit aus Kostengründen die so genannten "weichen Standortfaktoren" der betroffenen Regionen immer weiter verschlechtern. Aus dem Sanierungsfall Ost mit seinen vielen Krisenregionen könnte so tatsächlich ein Zukunftsmodell werden.
Dies wäre auch endlich ein übertragbares Modell für den Wandel in Osteuropa, wo die Milliarden an Fördergeldern gerade in die falsche Richtung gehen – in die Subventionierung hochproduktiver Anlagen (als tödliche Konkurrenz zu vorhandenen Anlagen in Deutschland und Westeuropa).
Natürlich kommt hier sofort der Einwand: auch eine solche vergleichsweise radikale Senkung der Lohnnebenkosten bringt nur wenig angesichts der weitaus geringeren Lohnkosten in Osteuropa oder China. Wenn das so klar wäre, könnten wir uns die ganze Reformdebatte in Deutschland sparen. Die Kritik ist allerdings trotzdem berechtigt. Eine Beschränkung der Reform auf die Senkung der Lohnkosten würde nur wenig nützen, wenn nicht auch die Transportkosten deutlich ansteigen. Wir haben uns daran gewöhnt, normal zu finden, was eigentlich absurd ist: dass Waren über Tausende Kilometer transportiert werden, die auch regional produziert werden können. Es kann nicht sein, dass die steigenden Folgeschäden eines europa- und weltweiten Transports von Massengütern auf dem Markt unberücksichtigt bleiben. “Die Deregulierung (Liberalisierung) fordert eine strikte Anwendung des Verursacherprinzips geradezu heraus... Die Vollendung des Binnenmarktes bliebe ordnungspolitisches Stückwerk, wenn das Verursacherprinzip jetzt nicht mit Macht durchgesetzt würde.” Ernst U. v. Weizsäcker [5].
Natürlich geht der neoliberale Trend im Moment in eine völlig andere Richtung. Aber das muss ja nicht so bleiben (siehe die politische Wende gegen den nordamerikanischen Neoliberalismus in Lateinamerika. Nur fehlt auch dort eine strategische Alternative). Reiner Kümmel schlägt vor, Importzölle (bzw. Grenzausgleichsabgaben) auf die in den Produkten enthaltene Energie zu erheben [27]. Im Ergebnis würde der Verkehr über Tausende von Kilometern endlich angemessen im Preis berücksichtigt werden. Im EU-Binnenmarkt ist die Erhebung solcher Abgaben allerdings nicht möglich, das verbietet das jetzige EU-Recht. Was ja nicht so bleiben muss. Mit Nicht-EU-Ländern wäre eine solche Regelung im Moment sogar (noch) möglich.
Anmerkung Januar 2006: Der Grundsatz der Verteuerung von Transportkosten muss im Übrigen auch für Antriebe mit erneuerbaren Energien gelten. Sonst hätten wir demnächst denselben globalen Massentransport, nur mit anderen Energieträgern. Es geht eben nicht nur um die Durchsetzung des Verursacherprinzips für diverse Folgeschäden (wobei auch Ökoautos Flächenverbrauch, Unfälle etc. produzieren werden), sondern auch um die Beseitigung der Schieflage zwischen der billigen und produktionsstarken Energie und der teuren aber produktionsschwachen Arbeit.
aufklappen >Die bei GATT-Verhandlungen angestrebte Öffnung der westlichen Märkte für den Süden entspricht der westlichen (einseitigen) Forderung nach Liberalisierung des Welthandels. Dies könnte fatale Folgen haben.
Beispiel Landwirtschaft: nach bisherigen Erfahrungen (siehe z.B. Kaffee- und Zuckermarkt) ist zu erwarten, dass bei einer einseitigen Liberalisierung und der Orientierung auf den lukrativen Export: a) für die Ausweitung der Exportproduktion (Monokulturen) noch mehr Urwald abgeholzt wird, b) die Preise für landwirtschaftliche Produkte weiter absinken, c) der Markt aufgrund des Überangebotes zusammenbricht, d) die Bauern in der EU Sturm laufen, e) die Bauern in den Entwicklungsländern auf ihren Produkten sitzen bleiben, f) Länder des Südens von Nahrungsmittelexporten abhängig werden (weil sie die Landwirtschaft auf den Export umgestellt haben)
Die Folgen dieser einseitigen Liberalisierung bedrohen nicht nur ganze Wirtschaftszweige in den armen Ländern, sondern auch die reichen Staaten des Nordens. DER SPIEGEL meldet im August 2003: „Für 2002 wird das US-amerikanische Handelsdefizit gegenüber China mit insgesamt 103 Mrd. Dollar angegeben - so viel wie nie zuvor mit einem Handelspartner.“ [10] Dieser beschönigend als „globaler Strukturwandel“ bezeichnete Prozess trifft nicht nur so genannte „veraltete“ (weil arbeitsintensive) Branchen, sondern zunehmend Computerfirmen, Banken, Unternehmensberatungen, Dienstleistungsbranchen. Unternehmen und Gewerkschaften rufen schon laut nach drastischen Importzöllen zum Schutz der einheimischen Wirtschaft.
Mit der Diskussion über die Einführung von ökologischen und sozialen Mindeststandards laufen wir nur hilflos dieser Entwicklung hinterher. Die im Punkt 12 genannten Maßnahmen sind als marktwirtschaftlich begründete Instrumente weitaus wirkungsvoller.
Seit der kurzen Stromkrise im Jahrhundertsommer 2003 sind bisherige Gewissheiten wieder fraglich geworden. Nicht nur in Italien wird seitdem laut über die Rückkehr zu Atomkraftwerken nachgedacht. Auch in Deutschland wird die Diskussion wieder neu geführt. Außerdem müssen in den nächsten Jahren die Weichen für den Ersatz der veralteten Kohlekraftwerke gestellt werden. Die laufende Debatte über die Zukunft der Energieversorgung ist aus ökologischer Sicht schon verloren, solange versucht wird, die Frage vorrangig politisch (Union und FDP nennen es „ideologisch“) zu lösen. Das führt zu der jetzigen Situation: ein vorläufiges Aus für Atomkraftwerke, welches mit veränderten politischen Mehrheiten wieder gekippt werden kann (sogar mit „ökologischen“ Argumenten: der Sorge um das Klima). Das Problem verschärft sich ausgerechnet durch den beginnenden Emissionshandel, von dem die Atomkraftwerke ausgenommen sind. Damit steigt in ganz Europa das Interesse an neuen Atomkraftwerken.
Eine klare Entscheidung über eine schrittweise Anlastung aller Folgekosten (inklusive der Haftpflicht für potentielle Folgerisiken und der Kosten der Endlagerung von nuklearem Restmaterial) wäre als marktwirtschaftliche Begründung weitaus plausibler und wirkungsvoller als der faule Kompromiss beim Atomausstieg. Der beim Atomkompromiss vereinbarte Verzicht insbesondere auf die risikogerechte Haftpflichtversicherung und die Versteuerung der Zinsen aus den Rückstellungen für die Entsorgung stellt eine gigantische Subventionierung des Atomstroms dar.
„Allein die risikogerechte Haftpflichtversicherung würde ... Mehrkosten von 1,84 Euro pro KWh Atomstrom ausmachen.“ Atomstrom wäre nach volkswirtschaftlichen Maßstäben der teuerste Strom überhaupt, dreimal so teuer wie Solarstrom. [38]
Die Zukunft der Energiepolitik wäre dann klar: ein Mix aus Energieeinsparung, regenerativen Energiequellen und effizienten konventionellen Kraftwerken (z.B. Kraftwärmekopplung und Gas). Insofern ging das Signal für eine Befreiung energieintensiver Branchen von der Ökosteuer in die falsche Richtung.
Anmerkung Dezember 2005: Ich muss mich korrigieren, was die Notwendigkeit effizienter konventioneller Kraftwerke betrifft: Inzwischen liegt eine im Auftrag von EURO-SOLAR erstellte Studie vor, in der festgestellt wird: "...die alten Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke lassen sich vollständig durch erneuerbare Energien ersetzen“ [33]. Und der schwedische Ministerpräsident Göran Persson hat angekündigt, sein Land mit Erneuerbaren Energien innerhalb von 15 Jahren unabhängig von Öl, Gas und Kohle zu machen [37].
Um die Ökosteuerreform gegen die Widerstände der Industrie durchzusetzen, haben sich die Befürworter auf einen Kompromiss eingelassen, der ähnlich auch in den anderen EU-Staaten praktiziert wird. Danach wird die Zahlung der Ökosteuerschuld für energieintensive Brachen „gedeckelt“. Ein angeblich notwendiger Kompromiss, der aus mehreren Gründen endlich aufgehoben werden sollte:
1. Nach dieser Logik könnten in gleicher Weise (und mit viel mehr Berechtigung) arbeitsintensive Wirtschaftszweige eine Subventionierung ihrer Sozialabgaben verlangen. Die Abwanderung dieser Unternehmen ins Ausland wegen der enorm angestiegenen Lohnzusatzkosten zerstört weitaus mehr Arbeitsplätze.
2. Laut Studie des Instituts für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) sind die Großabnehmerpreise für Industriestrom in Deutschland zwischen 1995 und 2002 von rund 7,6 Cent pro KWh auf rund 5,3 Cent gefallen. Diesem Rückgang um rund 30 % steht ein EU-weiter Rückgang um nur 9 % gegenüber In den USA ist Industriestrom zwischen 1996 und 2002 sogar um 7 % teurer geworden [11]. Diese Verbilligung der deutschen Strompreise war dank Liberalisierung des Strommarktes möglich, trotz Ökosteuer und EEG-Abgabe.
Anmerkung Januar 2006: In den letzten drei Jahren sind zwar die Strompreise in Deutschland wieder drastisch nach oben geklettert. Was aber vor allem an der Beherrschung des Strommarktes durch die vier großen Stromversorger liegt. Hier ein Beispiel für Kleinverbraucher (für die Industrie ist so ein Vergleich schwieriger wegen der vielen Ausnahmeregelungen): An den Kosten von insgesamt 18 Cent pro kWh (2004) machen Ökosteuer, Zuschlag für Kraft-Wärme-Kopplungs- Gesetz und Erneuerbare-Energien-Gesetz einen Anteil von knapp 2,9 Cent pro kWh aus [39]. Demgegenüber stehen rund 6 Cent für Netzkosten. In Dänemark betragen die Netzkosten nur 2,8 Cent, während die Stromsteuer der dortigen konservativen Regierung 7,6 Cent beträgt [40].
aufklappen >Das in Aussicht stehende Verfahren, wonach die Subventionen für die am CO2-Zertifikathandel beteiligten Unternehmen weitergeführt werden, scheint angesichts der unklaren Regelungen beim Zertifikathandel kaum geeignet, eine wirkliche Lösung zu bringen.
Anmerkung Mai 2005: Die Überschrift für den folgenden Punkt stammt von einem Diskussionsbeitrag aus dem Jahr 2001. Der Anlass damals war ein Beschluss der Bündnisgrünen Bundestagsfraktion, wonach der Emissionshandel „mittelfristig an die Stelle der freiwilligen Selbstverpflichtung *und der Ökosteuer für die Industrie*“ treten solle [28]. Im folgenden Text verwende ich wesentliche Argumente aus einem Text von Jürgen Grahl vom Solarenergie-Förderverein (SFV e.V.) [29]
aufklappen >Wer spricht noch von der Energie- oder Kohlendioxidsteuer, wenn es um den Klimaschutz geht? In der öffentlichen Diskussion zum Klimaschutz hat sich der Eindruck verfestigt, dass der Emissionshandel das angeblich effektivere, weil wirtschaftsverträglichere Instrument wäre. Der anlaufende Handel mit Zertifikaten scheint dem auch Recht zu geben. Nachfolgend ein paar kritische Anmerkungen dazu.
1. Beim Emissionshandel wird nicht der Energieverbrauch an sich verteuert, sondern nur die Überschreitung einer vereinbarten Obergrenze. Wer innerhalb dieser Grenzen bleibt, kann also weiterhin billig Energie verbrauchen. Damit wird Energieverschwendung samt allen Folgeschäden (innerhalb dieses Levels) weiterhin subventioniert.
2. „Nationale Reduktionserfolge, die über die international vereinbarten Zielgrößen hinausgehen, werden durch den Verkauf der nicht genutzten Emissionsrechte (an andere Nutzer) wieder zunichte gemacht; die Emissionsminderung erfolgt - global gesehen – nur in exakt dem Tempo, das von der allmählichen Reduzierung der ausgegebenen Zertifikate bestimmt wird“ [29]. In der Konsequenz bedeutet es, dass die Motivation, freiwillig weitergehende Reduktionsverpflichtungen zu übernehmen, absinken wird.
3. Entscheidend für die Erreichung der Minderungsziele ist also, ob und in welchem Maße sich die Weltgemeinschaft überhaupt auf eine schrittweise Reduzierung der Gesamtemissionen verständigen kann. Aber welcher Maßstab soll bei der Aufteilung angelegt werden? Der Westen stößt 80 % der Treibhausgase aus, für 20 % der Weltbevölkerung. China, Indien, Russland ... alle brauchen Energie für „nachholende Entwicklung“. Ein ewiges Tauziehen auf Klimakonferenzen über die Höhe der Verschmutzungsrechte (die bares Geld wert sind) ist abzusehen und wird eine wirklich konsequente Strategie verhindern.
4. Noch vor 2010 wird China die USA als bisher einsamer Spitzenreiter beim CO2-Ausstoß ablösen. (Schätzung der Internationalen Energieagentur [50]). Auf dem Klimagipfel in Nairobi 2006 wurde nur zu deutlich, dass ein überzeugendes Modell fehlt, wie Klimaschutz und Entwicklung in Einklang zu bringen wäre. Obwohl der Bericht vom britischen Weltbank-Ökonom Nicholas Stern die Gefahren überdeutlich an die Wand malte. Es sind ja nicht nur Schwellenländer wie China, dessen Emissionen von 1998 bis 2004 um 56 Prozent gestiegen sind [51]. Fast noch schlimmer ist, dass in einem ein EU-Land wie Spanien von 1990 bis 2004 der CO 2-Ausstoß um 49 Prozent gewachsen ist [52].
5. Das Grundproblem beim Emissionshandel ist, dass die Kosten für die Emissionszertifikate de facto zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft darstellen. Die Verteuerung der Energie durch den Emissionshandel (ohne Kostenentlastung auf anderer Seite) stellt sich als Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Gerade die USA, aber auch die nach wirtschaftlicher Entwicklung strebenden Länder wehren sich dementsprechend mit aller Kraft gegen eine zu frühe und eigentlich notwendige konsequente Einbeziehung in den Emissionshandel. Dementsprechend inkonsequent sind die möglichen Schritte zur Durchführung notwendiger Klimaschutzmaßnahmen.
6. Außerhalb der Diskussion bleibt die Möglichkeit, zusätzliche Belastungen mit Entlastungen auf anderer Seite auszugleichen. Was genau das Konzept der Ökologisch-Sozialen Steuerreform war. Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Einschätzung von E.U. von Weizsäcker verweisen: „Umweltsteuern können dagegen auf eine Höhe anwachsen, die mindestens eine Größenordnung höher liegt als die gegenwärtigen Sonderabgaben. Selbst ein Faktor 100 gegenüber den heutigen Sonderabgaben ist rechtlich möglich und wirtschaftlich vertretbar“ [5, S. 161].
Vergessen werden auch die technischen Schwierigkeiten bei der global notwendigen Umsetzung des Emissionshandels:
1. Das Instrument ist äußerst fehleranfällig. Lückenlose Emissionskontrollen sind notwendig, je mehr dieses Instrument zur Anwendung kommt, weil schon ein geringer Anteil an unechten Zertifikaten zum Kursverfall an den entsprechenden Klimabörsen führen könnte (womit der Kauf von Verschmutzungsrechten billiger und attraktiv würde gegenüber notwendigen Investitionen im Klimaschutz). Solche Kontrollen weltweit wären aber nur mit großem bürokratischen und Kontrollaufwand (mit entsprechenden Kosten) möglich.
2. Selbst wenn der Emissionshandel funktioniert, ist die Wirkung auf die Wirtschaft weitaus unsanfter als die Ökologische Steuerreform. Im Unterschied zu den dort festgelegten Erhöhungsschritten gleicht die Steuerung über den Börsenkurs von Zertifikaten einem Vabanquespiel. Niemand weiß genau, wie sich die Preise entwickeln, weil unklar ist, wieviel Zertifikate demnächst (vielleicht auch aus irgendwelchen dunklen Quellen, aus Russland oder demnächst China und Afrika) auf den Markt kommen. Bei knappen Zertifikaten und hohen Börsenkursen wäre die Wirkung ähnlich wie in vergangenen Ölkrisen: es käme zu heftigen Preisausschlägen, worauf die Wirtschaft aber nicht sofort reagieren kann (z.B. mit Investitionen in Klimaschutz). Ähnlich wie bei den Ölkrisen würde sofort Druck auf die Regierung ausgeübt werden, zusätzliche Zertifikate auszugeben oder den Emissionshandel auszusetzen. (Oder der Schwarzmarkt reagiert mit der „Emission“ zusätzlicher Zertifikate).
3. Die Chance für eine Umsteuerung der Wirtschaft wäre vertan, wenn die Industrie endgültig aus der Ökosozialen Steuerreform aussteigen würde. Klar dürfte sein, dass mit diesem Ausstieg der Wirtschaft aus der Reform auch die Kraft zur Durchsetzung der Rest-Reform (Besteuerung Verkehr, Energieverbrauch im privaten Sektor) deutlich schwinden würde.
4. Mit der Verlagerung der Diskussion auf das Modell Emissionshandel ist das zweite Ziel der Ökosozialen Steuerreform nun völlig aus dem Blick geraten: die Reduzierung der hohen Lohnnebenkosten. Dabei ist dies der entscheidende Vorteil des Modells gegenüber dem Konzept des Emissionshandels.
Dabei gäbe es durchaus Möglichkeiten, wesentliche Elemente der Ökosozialen Steuerreform in das System des Zertifikathandels zu übernehmen. Bisher scheint nicht angedacht, mit den Einnahmen aus dem Zertifikathandel die Lohnnebenkosten zu senken, wie das bei der Ökosozialen Steuerreform möglich ist. Was eigentlich ein Nachteil ist, denn letztlich bedeuten Zertifikate wie Ökosteuern irgendwann zusätzliche Kosten, die nur bedingt wirtschaftsverträglich und damit politisch schwer durchsetzbar sind. Aus diesem Grund hatte sich ja bei der Ökosozialen Steuerreform auch das Prinzip der gleichzeitigen Senkung von Lohnnebenkosten durchgesetzt. Schließlich stehen alle Staaten vor dem Problem der steigenden Kosten der Sozialsysteme.
Eine Erweiterung der Zertifikatlösung um eine soziale und arbeitsmarktpolitische Komponente wäre durchaus möglich, wenn die Erzeuger von Primärenergie die Emissionszertifikate kaufen oder ersteigern müssten. Herausgeber der Emissionszertifikate wäre der Staat, der mit den Einnahmen z.B. die Lohnnebenkosten senken könnte.
Anmerkung Dezember 2005: Nachdem die (kostenlosen) Zertifikate zu enormen Strompreissteigerungen und Zusatzgewinnen für die Energiekonzerne geführt haben, erwägt Union und SPD nun tatsächlich, „die Zertifikate nicht mehr kostenlos auszugeben. Auch die Branche stellt sich darauf ein. Profiteur wäre der Staat: Er könnte die neuen Zertifikate bei der Erstausgabe versteigern. Die bisher bei den Konzernen anfallenden Gewinne würden dann dem Finanzminister zufließen...“ [30]. Immerhin ging es allein in diesem ersten Jahr um einen Betrag von 8,7 Mrd. Euro. Allerdings würde dies erst für die zweite Handelsperiode ab 2008 gelten. Und fraglich bleibt immer noch, ob sich diese Haltung gegen die Energielobbyisten (auch in den eigenen Reihen) durchsetzt. Aber halten wir fest: es wäre tatsächlich möglich.
aufklappen >Anmerkung April 2006: Die Große Koalition sich geeinigt: „Die zunächst erwogene Versteigerung der Abgasrechte ist vom Tisch: Schließlich würde das den Strompreis noch weiter nach oben treiben.“ Die Energiekonzerne erhalten 85 Prozent der Zertifikate kostenlos, die übrige Industrie sogar 98 Prozent. Die Gesamtmenge der ausgegebenen Zertifikate verringert sich nur geringfügig: von 503 Mio Tonnen CO2 pro Jahr bis 2007 auf 495 Mio t für die Jahre 2008 bis 2012. Das entspricht einer Reduzierung um 1,6 Prozent. Ein kleiner Teil der Zertifikate soll verkauft werden. Allerdings nur, um die Kosten des Handelssystem zu finanzieren... [46]
aufklappen >Alle osteuropäischen Beitrittsländer sind noch stark landwirtschaftlich geprägt. Der SPIEGEL zitiert einen österreichischen (Gen-)Saatgutberater und Ex-Pioneer-Manager: Nahezu die Hälfte der Rumänen arbeite heute in der Landwirtschaft. „In fünf Jahren werden es noch drei Prozent sein.“ Er hatte den Bauern im Osten die neuen Spielregeln der globalen Landwirtschaft erklärt: Wer überleben will, müsse seine Erträge steigern.[41]
Wohin mit dem Zuwachs an landwirtschaftlicher Produktion? Wo Europa doch schon jetzt zuviel produziert und subventioniert auf dem Weltmarkt absetzt, wogegen sich berechtigter Widerstand regt. Wohin mit den vielen arbeitslosen Bauern? Dasselbe würde sich bei einem EU-Beitritt der Türkei noch einmal wiederholen...
Jetzt besteht die Chance, neue Fehlentwicklungen in Osteuropa schon im Ansatz zu vermeiden. Statt die Landwirtschaft auf überholtes quantitatives Wachstum auszurichten, sollten die Weichen klar in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise gestellt werden. Die jetzige Entkoppelung der Prämienzahlung von der Produktionsmenge ist dabei nur der erste und kleinste Schritt. Notwendig wäre, die Landwirtschaftspolitik konsequent am Verursacherprinzip für Folgeschäden auszurichten. Abgaben z.B. auf Stickstoffdüngemittel, Pestizide, Insektizide, Massentierhaltung hätten zur Folge, dass die Kosten für konventionell und industriell erzeugte Lebensmittel steigen würden. Ergänzend wäre auch die generelle Reduzierung der Mehrwertsteuer für ökologisch zertifizierte Produkte möglich (siehe S. 124). Im Zusammenhang mit einer Erhöhung der Transportkosten und sinkenden Arbeitskosten wäre die regionale und ökologische Landwirtschaft perspektivisch der Normalfall statt wie bisher eine Nischenproduktion für aufgeklärte oder besser verdienende Verbraucherschichten. Mit zusätzlichen Einnahmen aus der Erzeugung nachwachsender Rohstoffe würde die bisher von EU-Töpfen abhängige Krisenbrache wieder zum wichtigsten wirtschaftlichen Rückgrat ländlicher Regionen werden.
Im Fehlen einer klaren Strategie liegt auch die Ursache für das faktische Scheitern der von Frau Künast propagierten „Agrarwende“ begründet. Man kann diese Wende nicht dem Verbraucher- Verhalten überlassen. Man stelle sich eine Verkehrswende vor, die darauf setzt, dass die Bürger zukünftig mehrheitlich mit der Bahn fahren, obwohl Auto und Flugzeug weitaus billiger sind. Schließlich geht es auch und vor allem um die Vermeidung ökologischer und sozialer Folgeschäden, deren Ausmaß wir im Moment noch gar nicht beziffern könnten.
Was tun gegen die modernen Gesundheitsrisiken von Bewegungsarmut, zu fetten und zu süßen Speisen? Auch hier greift der Ansatz von mehr Aufklärung nur zum kleinsten Teil. Keiner will Alkopops, Hamburger und Cola-Getränke verbieten. Aber warum soll man sie quasi subventionieren?
Einen Vorschlag der grünen Bundestagsfraktion, für den vollen Mehrwertsteuersatz bei „ungesunden Lebensmitteln“ hat Minister Eichel erst mal zurückgewiesen (Juli 2004). Und die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie hat natürlich aufgeschrieen: „Es kann nicht sein, dass der Staat mit der Steuergesetzgebung entscheidet, was gute und was schlechte Lebensmittel sind.“
Die Vorschläge zur Einführung von Gesundheitsabgaben (Siehe S. 62) wären weitaus effektiver als die gut gemeinten aber letztlich erfolglosen Aufklärungskampagnen für gesunde Ernährung. Zumal die Werbeetats von McDonald und Co. weitaus höher liegen als die Budgets solcher Kampagnen.
Es gilt aber auch eine Lösung zu finden für das Problem des Bewegungsmangels in Verbindung mit dem massiven Medienkonsum. Nur Erziehung und Aufklärung reicht auch hier nicht mehr aus. Im Rahmen einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) wurden 25.000 Schüler zwischen zehn und fünfzehn Jahren befragt. Das Ergebnis: Je mehr Zeit sie vor dem Fernseher oder der Playstation verbringen, desto schlechter sind die Noten. Interessant ist, dass sich die Ergebnisse der Befragungen (Jungen verbringen mehr Zeit mit den Medien als Mädchen, Migrantenkinder mehr als deutsche Kinder, im Ruhrgebiet mehr als in Bayern) mit den unterschiedlichen Leistungen im Pisa-Test decken. [42] Natürlich werden diese Ergebnisse unterschiedlich interpretiert. Insbesondere von Medienpädagogen kommt Kritik: Man soll das Fernsehen nicht verteufeln. Die Kinder müssten nur lernen, mit den Medien umzugehen.
Natürlich kann man lernen, mit Fernsehen und Computerspielen umzugehen (wie mit Süßigkeiten, Alkohol, Zigaretten...). Das setzt aber Alternativen voraus und eine Umgebung, die sich mit den Kindern beschäftigt und auseinandersetzt. (Nicht nur) in sozial schwächeren Familien ist dies aber ein Dauerproblem. Wenn die Eltern arbeitslos sind oder beruflich zu beschäftigt, die Kinder sich selbst überlassen sind, wird die Freizeit zunehmend durch das Fernsehprogramm diktiert... Dazu kommt, dass gerade in strukturschwachen Gemeinden und Regionen das Geld für alternative Freizeitangebote fehlt.
Die Ergebnisse decken sich aber auch mit anderen Untersuchungen. In Berlin leidet jeder dritte Schulanfänger unter Sprachstörungen [43] Viele Schüler weisen Wahrnehmungs- und Konzentrationsschwierigkeiten auf. Brandenburgs (damaliger) Gesundheitsminister Baaske: „In den Familien wird heute weniger gesprochen als früher. Dafür spielen Fernseher und Computerspiele heute eine große Rolle“ [43]. Die Kinder leiden an Übergewichtigkeit, Fettleibigkeit und Koordinationsstörungen. Die Shell-Studie 2006 stellt fest: „Oft geht diese Hinwendung zu Computerspielen und Fernsehen mit einer Abwendung von Schule und Berufsausbildung einher“ [47].
Angesichts der nun sichtbaren sozialen und gesundheitlichen Folgeschäden wird es Zeit, mit der Subventionierung von Folgekosten Schluss zu machen. Analog den Vorschlägen zur Einführung von Gesundheitsabgaben muss über eine Besteuerung von Medienkonsum nachgedacht werden. Diese Einnahmen sollten gezielt und in vollem Umfang für Kinderbetreuung, Freizeitangebote, für den Ausbau von Ganztagsschulen etc. verwendet werden.
Wie notwendig der Blick über den Tellerrand jetziger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist, zeigt das Beispiel Flughafen Berlin-Schönefeld.
Wie werden sich die Flugpreise und damit die Fahrgastzahlen verändern, wenn die bisher subventionierten ökologischen Folgekosten auf den Flugverkehr umgelegt werden? Wurde dieses Szenario im Vorfeld der Planung untersucht? Wer diesen Fall für unrealistisch hält, verdrängt die Wirklichkeit. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, dass dieser Anachronismus (ein Flugzeug verursacht weitaus mehr Klimaschäden als die entsprechende Anzahl von Autos) aufgehoben wird. Klar dürfte sein, dass sich eine deutliche Verschiebung in Richtung Bahn ergeben würde. Ein Flughafen wird aber nicht nur für die nächsten zehn Jahre gebaut. Der dann überdimensionierte Flughafen – die Planungen gehen von einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2015 aus, der Anteil der Billigflieger liegt bei über 30 % derzeit - könnte zu einem neuen teuren Flop für Berlin- Brandenburg werden.
Dass die Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau dieses wichtige Argument bisher nicht verwenden, ist nur ein weiterer Beleg für die These, dass das Thema „Verursacherprinzip“ inzwischen völlig in Vergessenheit geraten ist.
Dasselbe gilt für den Straßenbau. Auch dort werden Zahlen zugrunde gelegt, die auf der Fortsetzung des ungebremst wachsenden Straßenverkehrs beruhen... Wieder gilt dieses Beispiel auch für die Länder Osteuropas, die vor grundlegenden Weichenstellungen für Infrastruktur und Wirtschaft stehen.
Das Scheitern der Europäischen Verfassung bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden hat das Fehlen einer überzeugenden europäischen Vision deutlich gemacht. Im Gegensatz dazu haben die europaweiten Proteste gegen den Irak-Krieg gezeigt, dass die gesuchte Identität weit tiefer reicht als die einer bloßen Wirtschaftsgemeinschaft. Dass es auch um eine Werteorientierung geht.
Die bisherige Europapolitik basiert auf dem Leitbild von Wirtschaftswachstum. Dieses ist Vorraussetzung, um mit den Überschüssen Sozialsysteme, Arbeitsmarkt, Umstrukturierung (entsprechend den falschen Rahmenbedingungen), die falsche Subventionierung der Landwirtschaft sowie soziale und ökologische Projekte (paradoxerweise gegen die Rahmenbedingungen des Marktes) finanzieren zu können.
Eine Fortsetzung dieser Politik wäre nicht nur der sichere Weg, um Europa in Konkurrenten um knappe Fördermittel zerfallen zu lassen. Mit negativen Folgen für die politische Einigkeit (und Einflussfähigkeit) Europas. Es wäre auch keine Antwort auf die eigentliche Frage, wie kurzfristige Interessen mit der Sorge um eine nachhaltige Zukunft zu vereinbaren wären.
Die von Weizsäcker geforderte Durchsetzung des Verursacherprinzips („als Zwillingsbruder der Liberalisierung“, siehe S. 60) im Rahmen einer Ökosozialen Steuerreform würde nicht nur die ökologischen Zukunftsfragen beantworten. Sie würde auch die bestehende Orientierungslosigkeit beenden. Wirtschaftspolitik würde sich an langfristigen sozialen und ökologischen Zielen orientieren können.
Arbeitsplätze in Europa hätten dann endlich eine Zukunft. Allerdings bestimmt durch klare Rahmenbedingungen, die nicht auf blindes Wirtschaftswachstum orientieren, sondern auf Vermeidung teurer Umwelt- und Rohstoffkosten bei gleichzeitig wieder bezahlbaren Arbeitskosten. Eine solche Steuerung im Grundsatz wäre weitaus effektiver und billiger als alle bürokratischen und teuren Fördermaßnahmen gegen eine fehlgeleitete Marktwirtschaft.
Das Prinzip der Nachhaltigkeit hätte man eigentlich in die Europäische Verfassung schreiben müssen. Aber auch wenn diese Diskussion jetzt zu spät kommt, ist die Frage nach der Vision für Europa damit nicht beendet. Das „Alte Europa“ könnte und sollte die Vorreiterrolle übernehmen für eine globale Marktwirtschaft, die sich im Ansatz an sozialen und ökologischen Kriterien orientiert und dabei höchst effektiv ist.
Anmerkung Januar 2006: Auch bei diesem Thema geht es nicht nur um so grundsätzliche Dinge wie die oben genannten Fragen. Viele Probleme im politischen Alltag stellen sich anders, wenn wir das jetzige Korsett des alten ökonomischen Denksystems ablegen. Einige Beispiele: Reduzierung Mehrwertsteuer für Dienstleistungen, Grenzausgleichsabgaben für Energieleistungen, Landwirtschaft oder Differenzierung Mehrwertsteuer für ökologische Produkte etc...
aufklappen >Zum nächsten Abschnitt: mit dem Ende von Rot-Grün und der Erweiterung der Reform in Richtung Energiesteuerreform scheint manches im folgenden Text überholt. Ich habe den Text im Wesentlichen so gelassen, weil ein späterer Neuanfang nicht ohne Analyse der Fehler der ersten Reformschritte auskommen kann. (Ich habe allerdings an einigen Stellen den Begriff Ökosteuer schon mal durch den Begriff Energiesteuer ersetzt.)
aufklappen >Wer die Ökosoziale Steuerreform wieder ins Gespräch bringen will, muss sich sowohl mit dem jetzigen „Tabu“ auseinandersetzen, welches auf dem Wort liegt, als auch mit der Missverständlichkeit der Reform („die Ökosteuer ist keine Öko-, sondern eine Rentensteuer“). Nachdem sich schon mehrere Minister direkt oder indirekt gegen die Weiterführung der Reform ausgesprochen hatten, hat nun (Sommer 2003) auch Umweltminister Trittin die Diskussion im Ansatz abgewürgt: „...zum Signal der Steuerentlastung passt nicht eine Diskussion zur Steuererhöhung“. [23]
Hat Trittin vergessen, was zentraler Kern der Ökosozialen Steuerreform ist? Dass es nicht um mehr Steuern geht, sondern um andere? Übrigens hat niemand von seinen Parteikollegen oder von den Umweltverbänden diese Interpretation öffentlich gerade gerückt. Stattdessen hat Herrmann Scheer mit seinem Plädoyer für eine ökologische Verwendung der Ökosteuereinnahmen die Argumentation von Trittin nur bestätigt. Auch in der jetzigen Debatte um die Reform der Sozialsysteme gibt es keinerlei Vorschläge, wie man soziale und ökologische Reformen miteinander verbinden könnte. Dabei gäbe es genügend Einstiegsmöglichkeiten, wie gezeigt wurde. Was sind die Ursachen für Missverständnisse und Schweigen?
Am Misserfolg der Reform kann es nicht liegen. Rational gesehen sind die bisherigen Schritte der Steuerreform ein klarer Erfolg: von ökologischer Lenkungswirkung bis zur Förderung alternativer Technologien, von der Reduzierung der Rentenbeiträge bis zum dadurch ausgelösten positiven Arbeitsmarkteffekt. In der öffentlichen Diskussion dagegen hat die Ökosteuer negativen Symbolcharakter bekommen. Sie dient den Gegnern, von BILD bis ADAC, von CDU, FDP bis PDS, als Sinnbild für unsoziale und wirtschaftsfeindliche Politik. Dagegen ist schwer anzukommen, wenn man ständig im Wahlkampf steht. Es sei denn, man ist von der Notwendigkeit der Reform so überzeugt, dass man sowohl dem Druck widerstehen als auch andere überzeugen kann. Dass dies notwendig und möglich ist, zeigt sich jetzt auch bei der Debatte um die Reform der Sozialsysteme (obwohl jetzt die sozialen Zumutungen weitaus größer sind und der Effekt aller Wahrscheinlichkeit nach erheblich geringer ausfallen wird).
An der notwendigen Klarheit und Standfestigkeit scheint es allerdings zu mangeln. Nicht nur bei den o.g. Ministern. So gab es Widerstände sowohl von Sozialpolitikern (gegen eine stärkere Ökosteuerfinanzierung der Sozialsysteme) als auch bei Umweltpolitikern (für eine stärker ökologische Zweckbindung der Ökosteuereinnahmen).
Und – die Kritik an der Ökosteuerreform kam auch von Medien, die eher als linksliberal gelten (z.B. vom STERN im Jahr 2000 mit der Titelseite: „10 Wahrheiten über die Ökosteuer“ [13].). Und eine von den Grünen in Auftrag gegebene Umfrage unter potentiellen Grünen-Wählern stellte im Jahr 2001 fest, „...dass die Ökosteuer etlichen quer liegt, die uns sonst stark zuneigen.“ [14]. Das betrifft genauso die SPD-Wähler.
Darauf könnte man natürlich auf unterschiedliche Weise reagieren. Die eine Variante: das Thema auf Eis legen und nicht mehr darüber reden (was Rot-Grün seitdem befolgt). Die andere Variante: die Tatsache der Fehlsteuerung der Marktwirtschaft und die Notwendigkeit zur rechtzeitigen Umsteuerung viel stärker ins öffentliche Bewusstsein holen. Verbunden natürlich mit der Aufarbeitung der „Geburtsfehler“ der Reform.
Hier nur ein paar Anmerkungen, nach Stichpunkten geordnet:
a) soziale Ausgestaltung. Notwendig für ein besseres soziales Ansehen der Reform sind klare Regelungen zum finanziellen Ausgleich der Mehrbelastung durch Ökosteuern. Für die Personengruppen, die nicht den Ausgleich über eine Reduzierung der (Arbeitnehmer-)Beiträge zur Sozialversicherung erhalten, sollte der ÖKOBONUS (bzw.Gesundheits-Bonus zum Ausgleich der Mehrausgaben durch Gesundheitsabgaben) Anwendung finden. Diese Auszahlung (regelmäßige Überweisung per Scheck vom Finanzamt) wäre nicht nur einfacher als der Ausgleich über die Erhöhung der unterschiedlichen Transferzahlungen (Rente, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld, Bafög etc.), es wäre auch endlich der direkte Bezug zur Reform ersichtlich. Der ÖKOBONUS würde als Durchschnittsbetrag ermittelt werden und wäre damit sozial gerechter als ein vom Einkommen gestaffelter Ausgleich. (Für Arbeitnehmer muss darauf verzichtet werden – siehe S. 69) Aus politischen Gründen, der Durchsetzbarkeit der Reform, sollte der Ausgleich der Mehrbelastungen durch Ökosteuern für alle Bevölkerungsgruppen gelten. Also nicht nur „sozial benachteiligter Gruppen“.
b) ökologische Ausgestaltung. Es kommt immer wieder die Forderung, einen größeren Anteil der Einnahmen für „ökologische“ Zwecke zu verwenden. Damit leidet aber das Prinzip der Aufkommensneutralität, die Einnahmen würden insgesamt steigen (was auch nicht durchsetzbar ist). Viel nahe liegender und verständlicher wäre aber z.B. die vollständige Rücknahme der Belastung von Bahn und ÖPNV durch Ökosteuern. Diese Belastungen waren von Anfang an kurzsichtig und sollten umgehend gestrichen werden. Wer hier an Einnahmen festhält, riskiert unnötige Missverständnisse und setzt die Akzeptanz der Reform (und damit langfristiger Einnahmen) aufs Spiel. (Natürlich muss zu einem späteren Zeitpunkt auch Bahn und ÖPNV mit der lenkenden Steuer belastet werden, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt). Zur bisherigen Praxis der Befreiung energieintensiver Branchen von der Ökosteuer siehe Ausführungen im Punkt 15.
c) arbeitsmarktpolitische Wirkung. Alle Untersuchungen über die positive Wirkung der Ökosteuerreform haben die öffentliche Zustimmung nur unwesentlich verbessert. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die Arbeitslosigkeit trotz Senkung der Rentenbeiträge weiter angestiegen ist. Die Kritik am bisherigen Verfahren, wonach die Stützung des Rentensystems mit Ökosteuereinnahmen nur die Reform des Systems hinausgezögert hat, ist nur zum geringsten Teil wahr. Mit dem Ersatz von Abgaben auf Arbeit durch Ökosteuern wird genau dort angesetzt, wo der „Teufelskreislauf“ von steigenden Abgaben und immer weniger Beitragszahlern seine wichtigste Ursache hat: in der immer stärkeren Belastung des Faktors Arbeit. Die Schlussfolgerung kann also nur heißen: verstärkt die soziale Seite der Reform ausbauen und entsprechend kommunizieren.
d) Schaffung begrifflicher Klarheit. Spätestens mit der PETRAS-Studie (Studie des Wuppertal-Instituts über die soziale Akzeptanz der ÖSR) sollte klar sein, dass die begriffliche Unklarheit zu Irritationen und Missverständnissen geführt hat. „Auch der Name „Ökologische Steuerreform“ selbst wurde generell argwöhnisch betrachtet bis ablehnend kritisiert, da die Reform nach einem ihrer Ziele, der ökologischen Komponente, benannt ist, das Aufkommen jedoch nicht für ökologische Zwecke verwandt wird...“ [15].
Warum fehlt, im Gegensatz zur Diskussion z.B. in Österreich, die Hälfte der Reform schon im Begriff? Es geht eben nicht nur um die ökologische Seite der Reform (in Krisenzeiten ohnehin eher wenig zugkräftig). Das Kind muss endlich den ihm zustehenden Namen bekommen: Ökologisch-Soziale Steuerreform. Das gilt auch für den neuen Begriff der „Ökosozialen Finanzreform“.
Um weitere Missverständnisse im Zusammenhang mit der Ökosteuer auszuräumen, sollten zukünftig klar sachliche Begriffe eingeführt werden: z.B. Energiesteuer, CO2-Steuer (und die Rohstoff- oder Ressourcensteuer, falls diese mal kommen sollte).
Ergänzung Dezember 2005: Die Untersuchungen von Prof. Kümmel und anderen Wissenschaftlern haben eine neue Diskussionsgrundlage für die Reform geliefert. Entscheidend ist die Beseitigung der gegenwärtigen Schieflage zwischen den Produktionsfaktoren Energie und Arbeit. Es ist sinnvoll, dann auch einen neuen Begriff für die Reform einzuführen. Es bietet sich an, den eindeutigen und unmissverständlichen Begriff „Energiesteuerreform“ zu wählen.
aufklappen >e) Abbau ökologisch schädlicher Subventionen. Richtig ist, dass die in der großen Mehrheit falschen Subventionen (Steinkohle, Pendlerpauschale, Eigenheimzulage) dringend zurück gefahren werden müssen. Im Moment wird aber von einigen Spitzenleuten der GRÜNEN der Eindruck erweckt, als wäre der Rückbau dieser Subventionen wichtiger oder leichter durchsetzbar als die Fortführung der Ökosozialen Steuerreform. Hier muss aber auch die soziale Seite der Reform betrachtet werden (auch wenn sie öffentlich kaum gewürdigt wird). Die Ökosoziale Steuerreform muss endlich, statt als „im Moment nicht zuträgliche Belastung“ für Wirtschaft und Arbeitsmarkt, als effektivstes Instrument für die gegenwärtige Krise am Arbeitsmarkt begriffen und kommuniziert werden.
f) offensive Diskussion der langfristigen Perspektive. Absenkungen der Lohnnebenkosten um wenige Prozent-Zehntel haben allerdings auch keine anhaltende arbeitsmarktpolitische Wirkung. Anders wäre es, wenn die Lohnnebenkosten, schrittweise und dauerhaft, um andere Größenordnungen abgesenkt werden könnten, wie im Punkt 5. vorgeschlagen. Damit würden Investitionsentscheidungen endlich in eine andere Richtung gelenkt werden. Und es würden sich auch attraktive und kostengünstige Lösungen für Krisenregionen und -branchen ergeben (siehe Punkt 11). Gegen ein solches Konzept stehen weniger rationale Gründe als vielmehr die bestimmenden Leitbilder von Wachstum, Mobilität, globaler Wirtschaft.
Noch sind wir im alten Denken verhaftet, misst sich alle Politik an der Verträglichkeit mit der (alten) Ökonomie. Clintons Ausspruch „It’s the economy, stupid.“ ist zum geflügelten Wort geworden. Wie aber Ernst Ullrich von Weizsäcker in seinem Buch „Erdpolitik“ überzeugend dargelegt hat, neigt sich das Zeitalter der Wirtschaft dem Ende zu (siehe Punkt 10). Auch wenn es derzeit so aussieht, als hätte das Zeitalter der Wirtschaft noch einmal einen Höhepunkt erreicht. Solche „Hoch-Zeiten“ vor dem Absturz sind aber aus der Geschichte nichts Unbekanntes. Die Stimmen, welche die Notwendigkeit eines neuen Leitbildes erkennen, mehren sich. Die Widersprüchlichkeit der Politik wird als Konzeptionslosigkeit empfunden. Allerdings ist es ein Gefühl, welches sich vorrangig am beklagten Abbau des Sozialstaates stößt. Die Umweltproblematik wird dagegen wieder verdrängt (wenn nicht gerade das Klima verrückt spielt). Der ehemalige Wirtschaftssenator und neue Spitzenkandidat der Hamburger SPD, Thomas Mirow, sagt: „In der ganzen Welt mangelt es an einem Leitbild für eine menschliche und lebenswerte Gesellschaft.“ [16]. Und der BASF-Vorstandsvorsitzende Jürgen Hambrecht mahnt an: „Politik ist die Kunst des Machbaren. Aber Politik muss trotzdem eine Vision haben. Visionslose Politik macht die Gesellschaft krank...“ Allerdings ist er dem alten Denken verhaftet: „Wir brauchen eine neue Agenda Deutschland – und die heißt Wachstum.“ [17].
Diese Orientierungslosigkeit mitsamt Rückgriff auf das alte Wachstumsdenken, dem zurzeit praktisch alle Parteien verfallen, ist logischer Ausdruck der Übergangszeit. Dabei existiert das neue Leitbild bereits. In der Ökosteuerdebatte der 90er Jahre ist die Marktwirtschaft treffend mit einem fehlgesteuerten Tanker verglichen worden, welcher durch eine Ökosoziale Steuerreform auf richtigen Kurs gebracht werden sollte. Als Alternative zu den beiden Scheinalternativen von neoliberal (Steuern senken für mehr Wachstum = Beschleunigung des Tankers) und „links“ (Schulden machen für mehr Wachstum) geht es um „sinnvoll lenkende Steuern“. Mit dem Ziel der Vermeidung von sozialen und ökologischen Folgekosten im Ansatz. Es geht also vorerst nicht um mehr oder weniger, sondern um andere Steuern. (Die zukünftige Reduzierung von Steuern ist allerdings absehbare Konsequenz, wenn Bürokratie, Subventionen und Folgekosten abgebaut werden.)
Es muss endlich wirtschaftlich sinnvoll sein, was aus sozialen und ökologischen Gründen notwendig ist. Nicht durch Subventionen, sondern durch die Vermeidung teurer Energie-, Transport- und Rohstoffkosten bei minimalen Lohnzusatzkosten. Wirtschaftlich sinnvoll wäre dann all das, was bisher nur gegen den Markt mittels Subventionen realisiert werden kann: umweltverträgliche Verkehrs- und Energiesysteme, Infrastrukturen, die auf Verkehrsvermeidung setzen, eine intelligente Kreislaufwirtschaft, die Orientierung auf langlebige und reparaturfreundliche Produkte, eine ökologische Landwirtschaft als Normalfall, eine starke regionale Wirtschaft. Die Marktwirtschaft würde sich endlich an sozialen und ökologischen, also menschlichen und natürlichen Maßstäben, orientieren.
In dem vorliegenden Papier sind bereits viele Vorschläge zur Erweiterung der Diskussion gemacht worden. Hier nur noch ein paar Stichpunkte:
1. Untersuchung einer verstärkten (Energie-)Steuerfinanzierung des Sozialsystems (siehe Punkt 5), sowie die vorgezogene Umsetzung für Krisenregionen (siehe Punkt 11).
2. offensive Beantwortung der Frage nach der Stabilität von Energiesteuer- Aufkommen zur Finanzierung des Sozialstaates.
3. Untersuchung und Diskussion der Einführung von Grenzausgleichsabgaben für die in importierten Produkten enthaltene Energie (Siehe S. 76)
4. Diskussion eines veränderten Wachstumsbegriffes
Eine solche Vorgehensweise würde aus der Not (der bestehenden öffentlichen Ablehnung von Ökosteuern) eine Tugend machen: die Zeit würde dazu genutzt werden, um eigene Vorbehalte abzubauen, offene Fragen zu klären und das Thema wieder politikfähig zu machen.
Das beste Konzept nutzt nichts, wenn es nicht vom Bürger verstanden wird. Zumal die Komplexität von ökologischen und sozialen Zielen (was eigentlich eine Stärke der Reform ist), zu Missdeutungen durch den politischen Gegner einlädt. Wer nur die Diskussionen bei den Grünen miterlebt hat, hätte wissen müssen, dass die Reform nicht ohne eine begleitende Öffentlichkeitskampagne umgesetzt werden kann. Tatsächlich war die öffentliche Diskussion in vielem nur eine Wiederholung der langen Diskussion innerhalb dieser Partei. Dazu kommt, dass die Reform in der Konsequenz ein anderes Leitbild zu Grunde hat. Paradigmenwechsel sind aber immer nur gegen Widerstände der jetzigen „Besitzstandswahrer“ durchzusetzen.
Ein zweiter Anfang wird also nur erfolgreich sein, wenn er von einer intelligenten Kampagne zur Popularisierung dieser Reform vorbereitet wird. Wenn endlich die Richtung klar wäre, sollte auch ein erfolgreiches Marketing möglich sein, um dieses neue Leitbild populär machen zu können! Allerdings sind Zweifel berechtigt, ob SPD und Grüne überhaupt bereit sind, das als gescheitert angesehene Projekt Öko(soziale) Steuerreform irgendwann wieder aufzunehmen [Fußnote]die Bündnisgrüne Bundestagsfraktion hat Ende August 2006 ein Diskussionspapier „Grüne Marktwirtschaft“ beschlossen. Bei den notwendigen Rahmenbedingungen wird zwar von einer stärkeren Steuerfinanzierung des Sozialsystems gesprochen, aber nicht über Öko- oder Energiesteuern..
Neben den Parteien melden sich zunehmend Reforminitiativen zu Wort: Vom „Bürgerkonvent“ bis zur „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“ auf der bürgerlichen Seite bis zu linken Gruppen (Gewerkschaften, Attac) reicht das bürgerbewegte Spektrum.
Was dabei auffällt: niemand von all diesen Gruppen greift in irgendeiner Form auf das Konzept der Ökosozialen Steuerreform zurück (Ausnahme: Förderverein Ökologische Steuerreform. Aber dieser hat kaum öffentliche Bedeutung.). Niemand thematisiert die doppelte Fehlsteuerung durch das gegenwärtige Steuersystem. Beschrieben wird lediglich die zu hohe Belastung der Arbeitskosten. Fast noch lauter ist jedoch die Forderung nach einer pauschalen Senkung der Steuern. Der ökologische Aspekt ist diesmal völlig außen vor, so wie früher die soziale Seite der Ökosteuer- Reform nur stiefmütterlich behandelt wurde.
Die bisher diskutierten Konzepte zur Reform der Sozialsysteme haben auffallende Ähnlichkeiten mit den ersten Ansätzen der Umweltbewegung. Auch damals hieß es: wir müssen auf Wohlstand verzichten, wenn wir die Umwelt retten wollen. Jetzt heißt es wieder: wir müssen Abstriche am Sozialsystem machen, wenn wir den Sozialstaat retten wollen. Die Möglichkeit der Verbindung der sozialen mit notwendigen ökologischen Reformen scheint völlig aus dem Bewusstsein verdrängt worden zu sein.
Wenn aber das Bild vom „fehlgesteuerten Tanker“ zutrifft, dann bedarf es dringend einer Initiative von Menschen, die diese Fehlsteuerung thematisiert und ins öffentliche Bewusstsein zurückholt. Deutlich zu machen wäre der Unterschied zwischen den jetzigen Vorschlägen („Ballast abwerfen“, damit der Tanker endlich wieder Fahrt bekommt) und der notwendigen Umsteuerung.
Potentielle Partner für eine solche Initiative gäbe es genügend: Gewerkschaften, Kirchen, Umweltverbände, die von Arbeitslosigkeit bedrohte Mittelschicht, besorgte Eltern, engagierte Jugendliche, Wissenschaftler... Und es sollte genug engagierte Prominente geben, die einer eindeutig positiven Reform ihre Stimme leihen würden.
Was bisher gegen eine solche Initiative steht, ist die bestehende Orientierungslosigkeit in Verbindung mit dem jetzigen negativen Erscheinungsbild der „Ökosteuer“-Reform. Auf eine Änderung dieses Zustandes sollte man nicht warten. Eine solche Veränderung wäre ja gerade das Ziel einer solchen Initiative.
Wer könnte eine solche Initiative ins Leben rufen?
[1] G. Hübener: “Sinnvoll steuern in Zeiten leerer Kassen”, 01.04. 2003
[2] SPIEGEL Nr. 13/2003: „Nur noch Schrott“
[3] Impulspapier der PDS-Landtagsfraktionen für ein Innovationsprojekt Ost (Entwurf H. Holter vom 05.05.03)
[4] Interview in „TV Hören und Sehen“, Heft 22/2004
[5] E.U.v. Weizsäcker: ”Erdpolitik – Ökologische Realpolitik an der Schwelle zum Jahrhundert der Umwelt”, 2. Auflage 1990
[6] Gutachten des DIW: Berechnungen zum Reformvorschlag “Arbeit für viele” des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL, Juli 2002. Download unter www.spiegel.de/wirtschaft Kurzfassung siehe SPIEGEL Nr. 11/2003
[7] Broschüre der Sociale Verzekeringsbank (SVB): www.svb.nl
[8] UPI-Bericht Nr. 46: “Kostenumschichtung im Gesundheitswesen durch Anwendung des Verursacherprinzips...”, 4. Auflage, Heidelberg 2001
[9] Tagesspiegel 30.1.03: „Schattenwirtschaft wächst rasant"
[10] SPIEGEL Online 14.8.03: „Amerikas Angst vor der roten Walze“
[11] BMU-Pressedienst Nr. 77/03 19.05.03 Siehe www.foes.de/
[12] e-mail Dieter Teufel, UPI Heidelberg, vom 5.12.01, an den Verfasser
[13] STERN Nr. 25/2000
[14] R. Bütikofer in „Schrägstrich 05-06/1“ über die Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen
[15] Politische Ökologie 77-78 „Ökologische Finanzreform“: Beitrag von C.Beuermann und T.Santarius über das PETRAS-Projekt
[16] Interview im „Tagesspiegel“ 28.10.03
[17] Interview im „Tagesspiegel“ 29.09.03
[18] Interview in „TV Hören und Sehen“, Heft 22/2004
[19] FAZ 7.8.03
[20] Tagesspiegel 17.6.04: “Das wird keiner mehr los“
[21] Spiegel 20/2004: „Alterskrank im Kindergarten“
[22] SPIEGEL-Online 18.3.04/ Wirtschaft: „US-Produktion – Land im Temporausch“
[23] DIE WELT 15.8.03
[24] Tagesspiegel 15.1.05
[25] UPI Nr. 35: Folgen einer globalen Motorisierung, Heidelberg 1995
[26] DIE ZEIT 01/2004: „China hebt ab“
[27] Reinhard Kümmel: „Umsteuern durch Energiesteuern“, Vortrag siehe: http://theorie.physik.uni-wuerzburg.de/TP1/kuemmel/kuemmel.html
[28] Positionspapier der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Grüne “Handeln für den Klimaschutz – Emissionshandel in Deutschland vorantreiben” v. 26.11.01
[29] Artikel Jürgen Grahl vom 19.02.02: Der Emissionshandel - Eine Alternative zur ökologischen Steuerreform? http://sfv.de/lokal/mails/wvf/zerthand.htm
[30] DIE WELT vom 16.2.05
[31] Interview im SPIEGEL 5/2005
[32] Reiner Kümmel: “Energie und Kreativität”, S. 104, Teubner-VG 1998
[33] Studie des Institute for Sustainable Solutions and Innovations (ISUSI), Download über http://www.hans-josef-fell.de
[34] Tagesspiegel 21.11.05: „Stromerzeuger vor Milliarden Einbußen“
[35] Tagesspiegel 30.11.05: “Sarkozy bittet Merkel ...”
[36] Statistisches Bundesamt: Statistik Geburtenhäufigkeit 1950-2000 für das frühere Bundesgebiet einschl. Westberlin
[37] www.fona.de (Nachricht des BM für Forschung und Entwicklung vom 21.9.05)
[38] Dr. Eberhard Moths, BM für Wirtschaft, auf einer Konferenz am 1992 in Racine/USA, nach: Energiemail 5.1.2006 des Solarenergieförderverein (SFV e.V.)
[39] SPIEGEL 35/2005
[40] Vortrag Dr. Krawinkel, Verbraucherzentrale Bundesverband, auf der Jahreskonferenz Erneuerbare Energien 2005
[41] SPIEGEL 52/2005: Wildwuchs im Hinterhof
[42] http://www.familienberater.info/
[43] Tagesspiegel/ 22.4.04: Schulanfänger mit Sprachstörungen
[44] Tagesspiegel 13.4.05: Die Zukunft trägt XXL
[45] Spiegel 7/2006: Bittere Wahrheit
[46] Tagesspiegel/ 11.4.06: Koalition einigt sich bei Abgashandel
[47] Tagesspiegel 22.9.06: Jugend in Angst
[48] Wolf von Fabeck: Arbeitsplätze und Soziale Gerechtigkeit – aber wie? in: Solarbrief 1/05
[49] Wolf von Fabeck: [link: 1259399293, Gewinner und Verlierer. Auswirkungen einer Verlagerung der Abgabenlast vom Personal auf die Energie]. Solarbrief 2/06
[50] Tagesspiegel 7.12.06: Bonus für Klima
[51] Tagesspiegel 13.11.06: Selbst die Besten sind nicht sauber
[52] Tagesspiegel 1.11.06: Die neue Ernsthaftigkeit
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